Kommissar Morry - Ich habe Angst
Stimme.
„Wir werden kontrolliert", rief der Reiseleiter. „Keine Aufregung, meine Herrschaften! Wir können gleich weiterfahren."
Edward Brandon öffnete blinzelnd die Augen. Er sah draußen rote Lichter auf und ab wandern. Zehn, zwölf Uniformierte standen auf der Straße und hielten jeden Wagen an. Zwei Konstabler stiegen in den Autobus. Sie grüßten höflich. Sie wanderten langsam von Platz zu Platz.
„Die Pässe bitte!"
Edward Brandon kroch noch tiefer in sich zusammen. Er fingerte nervös an seiner Brieftasche herum. In seinem Innern klaffte ein Abgrund. Er konnte nicht mehr ruhig atmen. Er war buchstäblich in Schweiß gebadet.
„Ihren Paß, bitte!"
Jetzt erst bemerkte Edward Brandon, daß ein Konstabler unmittelbar vor ihm stand. Er beugte sich zu ihm nieder. Er nahm ihm den Ausweis aus den Händen. Er blätterte Seite um Seite durch.
„In Ordnung, Sir! Wünsche angenehme Reise!"
Edward Brandon wagte sein Glück gar nicht zu fassen. Er steckte zitternd seinen Paß ein. Er glaubte an ein Wunder. Die ungeheure Nervenanspannung hatte ihn derart mürbe gemacht, daß er sich eine Zigarette anzünden mußte. Er ließ sein Feuerzeug aufflammen. Sekundenlang war sein ausgehöhltes Gesicht hell beleuchtet.
Der Konstabler drehte sich nach ihm um. Er wurde mißtrauisch. „Moment mal", brummte er und zog das Fahndungsblatt aus der Tasche. Er winkte seinen Kollegen herbei.
„Sieh mal an", meinte er. „Ich glaube, wir haben den Vogel eingefangen. Er sieht aus wie Edward Brandon. Möchte meinen Hut wetten, daß er es auch ist."
Edward Brandon klappte zusammen. Ein Weinkrampf schüttelte ihn, als er aus dem Bus gezerrt wurde. Schluchzend ließ er sich abführen. Er hatte kein Mark mehr in den Knochen. Hätte man ihn nicht zu einem Auto geschleppt, so wäre er kraftlos auf der Straße liegengeblieben.
22
Kommissar Morry war außer sich vor Freude, als er von der Verhaftung Edward Brandons hörte. Er wäre dem Konstabler, der ihm den glücklichen Fang berichtete, beinahe um den Hals gefallen.
„Wo ist der Bursche jetzt?" fragte er atemlos.
„Im Wandsworth Gefängnis, Sir!"
„In Ordnung! Sie werden mich dorthin begleiten", sagte er zu dem verdutzten Konstabler. „Wie heißen Sie?"
„Richard Gilpin, Sir!"
„Gut, Mr. Gilpin. Schätze, Sie werden nicht mehr lange als Konstabler herumlaufen. Wir brauchen tüchtige Sergeanten, die ihre Augen offenhalten. Und nun steigen Sie ein."
Der Konstabler nahm stolzgeschwellt neben dem berühmten Kommissar Platz. Er war glücklich wie nie. Wenn das meine Braut sähe, sagte er siegestrunken. Wenn das Mary wüßte. Sie hält mich immer für einen albernen Faulpelz. Verdammt, was würde sie für Augen machen. Ich werde sie nachher gleich anrufen. Kommissar Morry, der neben ihm saß, hatte wiederum ganz andere Gedanken. Dieser Edward Brandon wird uns den Weg zu Alban Lampard zeigen, dachte er berauscht. Jetzt endlich werden wir hören, wie dieser Teufel überhaupt aussieht. Niemand konnte ihn bisher beschreiben. Kein Mensch wußte, wo sich dieses Scheusal verborgen hält. Nun werden wir vielleicht sogar seinen Schlupfwinkel erfahren. Er hegte die größten Erwartungen. Und er wurde auch nicht enttäuscht. Edward Brandon hatte nicht mehr die Kraft, sein Geheimnis zu hüten. Er gab alles zu. Er versuchte gar nicht erst, zu leugnen.
Als der Kommissar die Zelle betrat, saß er still auf seiner Pritsche, ein armseliges Bündel, abgemagert zum Skelett.
„Ich habe Hunger", hatte er gesagt. „Irrsinnigen Hunger. Ich sterbe, wenn ich nicht etwas zu essen bekomme."
„Sie können alles haben", versprach ihm der Kommissar. „Alles, verstehen Sie? Ich lasse Ihnen eigens ein Beefsteak braten. Aber zuvor werden Sie reden, Mr. Brandon. Sie werden den Mord an William Springer eingestehen. Und Sie werden mir alles erzählen, was Sie über Alban Lampard wissen."
Edward Brandon gab den Mord zu, der dem Kommissar bereits in allen Einzelheiten bekannt war. Er legte ein umfassendes Geständnis ab. Mit brüchiger Stimme erklärte er, wie er den Wagen damals in die Schlucht gestürzt hatte.
„Es war sicher nicht der einzige Mord, wie?" fragte der Kommissar schroff. „Uns sind sechs Fälle bekannt, in denen es um Mord und Versicherungsbetrug ging. Immer war Alban Lampard der eigentliche Drahtzieher. Und Sie haben seine Befehle ausgeführt, nicht wahr? Sie waren der abgefeimte Handlanger, der unschuldige Menschen tötete, nur um ein Trinkgeld zu erraffen. Geben Sie es zu?
Weitere Kostenlose Bücher