Kommissar Morry - Opfer des Satans
Lockbrief selber schrieb. In Harrow Castle hätte er ja den Sekretär nicht gut ermorden können. Also suchte er sich ein verlassenes Haus in der Suzzler Street aus. Er braucht den Mord auch gar nicht selbst begangen zu haben. Vielleicht kaufte er sich ein paar Schurken, die das traurige Geschäft für ihn erledigten und den Toten nachher wegschleppten. So ähnlich sehe ich jedenfalls die Sache an.“
„Könnte nicht dieser Sekretär ein faules Ei sein?“ meinte Wachtmeister Kenton mißtrauisch. „Was weiß man schon von ihm, Sir? Wäre doch gut möglich, daß er mit allerlei Ganoven zusammenarbeitete. Könnte doch sein, daß er durch einen dummen Zufall in die Maschen des selbstgesponnenen Netzes geriet.“
„Das ist Unsinn“, brummte Kommissar Morry kurz. „Wir haben noch heute nacht ein Fernschreiben nach Bristol gejagt. Die Antwort kam bereits heute früh.
Demnach ist Hendrik Alsen in Bristol beheimatet gewesen und ein unbescholtener junger Mann aus gutem Hause. Er hatte erstklassige Zeugnisse und den besten Leumund. In diesem Punkt ist also nichts zu machen, mein Lieber.“ Wachtmeister Kenton stützte sorgenvoll den Kopf in die Hände. „Man müßte“, sagte er nach einer Weile, „nur das eine wissen, Sir: Ist Stanley Belmont der richtige Sohn Lord Harrows oder nicht?“
„Hm“, meinte Kommissar Morry. „Sie haben vollkommen recht, Kenton. Aber wie sollen wir diese schwierige Hürde nehmen? Haben Sie einen Vorschlag?“
„Mein Gott“, murmelte Wachtmeister Kenton kopfschüttelnd. „So was muß sich doch herausfinden lassen, Sir. Dieser Stanley Belmont muß doch einen Paß haben und...“
„Einen Paß auf den Namen Stanley Belmont bekommt er von jedem britischen Konsulat im Ausland. Er braucht dort nur anzugeben, daß er er seinen ersten Paß verloren hat.“
„Na schön. Dann müßte er doch noch andere Papiere haben. Zeugnisse und Diplome von der Universität, Photos aus seiner Jugendzeit, Briefe und dergleichen...“
„Vielleicht hat er so etwas“, brummte Kommissar Morry verdrießlich. „Es kommt nur darauf an, ob er uns das Zeug sehen lassen will. Er muß nämlich nicht, mein lieber Kenton. Er ist nicht dazu verpflichtet. Solange wir keine direkte Handhabe gegen ihn besitzen und keinen Haussuchungsbefehl, solange müssen wir das glauben, was er uns erzählt.“
„Dann würde ich vorschlagen“, meinte Wachtmeister Kenton, „daß wir wieder mal nach Har- row Castle gehen. Wir werden diesen Stanley Belmont solange ausfragen, bis er die Nerven verliert. Einen anderen Weg gibt es nicht.“ Kommissar Morry nahm den Hut und den Sommermantel vom Garderobehaken.
„Gerade das wollte ich Ihnen eben vorschlagen“, meinte er lächelnd. „Na, kommen Sie schon! Sie wollen wieder einige gute Zigarren und ein paar prima Schnäpse haben, wie?“
Eine halbe Stunde später trafen die beiden Beamten im Schloßpark von Harrow Castle ein. Als sie auf das große Portal zusteuerten, kam ihnen ein mittelgroßer Herr entgegen. Er hatte ein ausdrucksloses Durchschnittsgesicht und eine Hornbrille über den Augen. Grußlos stürmte er an den beiden Herren vorüber.
„Wer war das?“ fragte Kommissar Morry den Butler.
„Das war Reginald Bird, Sir, der Anwalt des verstorbenen Herrn. Er ist der Verweser des Schlosses und aller Liegenschaften, bis das Testament eröffnet wird.“
„Interessant“, murmelte der Kommissar. „Und bei wem war dieser Mr. Bird zu Besuch?“
„Bei Mr. Belmont, Sir!“
Morry nickte zerstreut und trat kurz nachher mit seinem Wachtmeister in die kühle Halle ein. Des warmen Sommerwetters wegen hatte man heute nicht geheizt. Der Kamin gähnte kalt und grau in der Ecke. Die beiden Beamten wurden in den Empfangssalon geführt und bekamen auch prompt Zigarren und Schnäpse vorgesetzt.
Während sich Wachtmeister Kenton grinsend bediente, blickte Kommissar Morry ungeduldig auf die Tür. Man ließ sie einige Zeit warten. Erst nach fünf Minuten geruhte Stanley Belmont zu erscheinen.
„Wollen Sie mich wegen meines Sekretärs ausfragen?“ murmelte er verschlossen. „Ich denke, das ist überflüssig. Ich habe bereits alles zu Protokoll gegeben, was ich wußte.“
„Warum so unfreundlich?“ sagte Kommissar Morry mit entwaffnendem Lächeln. „Setzen Sie sich doch! Wir wollten ja nur ein wenig mit Ihnen plaudern.“
Und nach kurzer Pause fügte er hinzu: „Sie hatten eben Besuch, nicht wahr? Reginald Bird war bei Ihnen. Was gab es denn Wichtiges mit Ihnen zu
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