Kommissar Pascha
beschlagnahmen wir das Geld und ziehen die Leute ab. Haben wir uns verstanden? So, und jetzt gehe ich nach oben und sehe nach, ob Ahmet Buraks eidesstattliche Erklärung angekommen ist.«
»Ahmet Öncel«, korrigierte Demirbilek kurz und schaute Weniger plötzlich mit ernster Miene an. »Ich habe noch was.«
»Ja?«, fragte Weniger.
»Ich habe gehört, Sie wollen Jale Cengiz wieder zurück nach Berlin versetzen.«
»Das hat sie sich mit ihren beiden Alleingängen selbst zuzuschreiben. Ich sorge dafür, dass Sie eine neue Kollegin bekommen.«
»Ich will, dass sie im Team bleibt«, entgegnete Demirbilek und richtete sich hinter seinem Schreibtisch auf, um auf Augenhöhe mit dem Kommissariatsleiter zu sein.
Weniger sah ihn überrascht an. »Wir reden darüber, wenn der Fall gelöst ist.«
»Nein. Ich möchte jetzt eine Entscheidung«, betonte Demirbilek resolut.
»Das klingt nach Drohung«, gab Weniger ungerührt zurück.
Demirbilek brauchte einen Moment, um sich klar darüber zu werden, dass Weniger recht hatte. »Es war als Bitte gemeint«, räumte er schließlich sachlich ein.
Weniger sah in den Augen seines Dezernatsleiters, wie ernst er es mit seinem Anliegen meinte.
»Ich ziehe Sie zur Rechenschaft, wenn Frau Cengiz sich noch einmal so unvernünftig in Gefahr begibt.« Dann nickte er kurz und verließ das Dienstzimmer.
Demirbilek ließ seinen Blick erleichtert zum Fenster schweifen. Ihm kam in den Sinn, wie es wäre, wenn Aydin und Cengiz tatsächlich ein Paar werden würden. Die angenehme Vorstellung ließ ihn an
kahve
denken. Genau diese Köstlichkeit wollte er jetzt unten in der Kantine zu sich nehmen.
Als der Deutsche sich nach seiner Mahlzeit dem Gebäude der islamischen Gemeinde näherte, bemerkte er zwei Dinge, die ihn alarmierten. Abrupt blieb er am Schaufenster eines Computergeschäftes stehen. Aus den Augenwinkeln beobachtete er, wie ein Mann, der in einem BMW saß, über Funk eine Nachricht durchgab. Die zweite Begebenheit, die ihn aufhorchen ließ, war eine Frau, die zu einem Animierlokal ging und der luftig bekleideten Dame an der Tür einen Ausweis hinhielt.
Vor den Augen des Deutschen verschwamm die Auslage des Computergeschäftes – er war sich absolut sicher, dass die Moschee observiert wurde. Er dankte Allah, ihn davor bewahrt zu haben, in die Falle zu tappen. Wie nur konnte die Polizei wissen, dass er hier auftauchen würde? Die Antwort war einfach, stellte er schnell fest. Er dachte an das Telefonat mit seinem Auftraggeber. Im Lichte der neuen Umstände kam ihm Firincis entgegengebrachtes Verständnis für seinen Fehler geheuchelt vor. Die Einzigen, die von der Geldtasche in der Moschee wussten, waren Furat Firinci und sein Sohn. Nach Moskau würde er den hinterhältigen Unternehmern einen Überraschungsbesuch abstatten, schrieb er in sein fiktives Aufgabenbuch und atmete tief ein und aus, um seine Wut zu bändigen.
Unverrichteter Dinge wollte er zum Auto zurückkehren. Doch da entdeckte er im Schaufenster direkt vor seiner Nase einen gebrauchten PC inklusive Webcam. Ein Schnäppchen, bei dem man nicht nein sagen konnte. Sein Spiegelbild in der Glasscheibe erhellte sich ein wenig. Er dachte an den Zeitungsartikel über die junge Polizistin im Krankenhaus. Sie war schuld an seiner misslichen Lage. Deshalb, beschloss er, soll sie ihm behilflich sein, doch noch an sein Geld zu kommen. Zufrieden mit dem improvisierten Plan, den er im Kopf durchdeklinierte, betrat er das Computergeschäft.
[home]
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N och überwog bei Aydin das Gefühl, in München Urlaub zu machen. Der Semesterbeginn an der Musikakademie lag in weiter Ferne. Das Zusammenleben mit seinem Vater gestaltete sich dank Jale vollkommen anders als befürchtet. Er war über beide Ohren verliebt. Jale schien seine Gefühle zu erwidern, das jedenfalls ahnte er, nachdem er den ganzen gestrigen Tag bei ihr am Krankenbett verbracht hatte. Wer hätte das für möglich gehalten, freute er sich und überlegte, ob er genug Geld für das Taxi hatte, damit er Jale nach Hause bringen konnte. Sein Vater hatte angedeutet, dass es spät werden könnte, und ihn gebeten, sich um Jale zu kümmern. Nichts lieber als das, frohlockte Aydin. Nach einem ausgiebigen Frühstück sprang Aydin um kurz nach elf Uhr in die 25 er-Trambahn, die direkt zum Klinikum Harlaching fuhr.
Der Deutsche war gewappnet, sein Talent zur Improvisation kam ihm dabei zugute. Er hatte sich am Informationsschalter des Klinikums als türkischer Journalist
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