Kommissar Pascha
zurückgezogen. Das Missgeschick mit der angeschossenen Polizistin schob Firinci als unwesentlich beiseite und versicherte ihm, ihn wieder zu buchen. Das Geld, so erfuhr der Deutsche, war nach wie vor in der islamischen Gemeinde in der Goethestraße deponiert. Auf eine Teilrückzahlung seiner Gage, wie Firinci es nannte, verzichtete er am Ende des Gespräches großzügig. Bei der Autofahrt von Salzburg nach München ordnete der Deutsche seine Gedanken. Er musste seine Geldtasche holen, den Mietwagen am Flughafen abgeben und weiter nach Moskau zum nächsten Auftrag fliegen.
Knapp eine Stunde später parkte er den BMW in der Nähe der Goethestraße unweit des Hauptbahnhofes und ging zu Fuß weiter, um ein leichtes Mittagessen zu sich nehmen, bevor er die Moschee aufsuchte. Er hatte sie bei seinem ersten Besuch ausfindig gemacht, als er einen Ort zum Beten suchte. Das Wort eines Glaubensbruders war besser als jedes Schließfach, davon war er überzeugt. Sein Weg führte ihn in der Schwanthalerstraße an einer für Istanbuler Verhältnisse kleinen Aldi-Filiale vorbei. Dort entdeckte er zu seiner Freude auf dem Plakat für Sonderangebote jene Art magnetisch zusammengehaltener Lesebrillen, die er selbst seit einigen Jahren trug. Er prüfte im Geschäft die Qualität des Schnappmechanismus und erstand zwei samt Etui in seiner Dioptrienstärke. Beim Tabakgeschäft nebenan holte er die
Hürriyet
und setzte sich zum Lesen in ein Bäckereicafé, wo er eine Butterbreze und Milchkaffee bestellte. Den Artikel über die angeschossene Polizistin mit türkischen Wurzeln fand er auf der dritten Seite. Die mutige Frau wurde als Münchner Heldin gefeiert. Ein Foto zeigte sie mit einem Strauß Blumen im Krankenhausbett. Der Deutsche lächelte über den pathetischen und – was den Informationsgehalt betraf – haltlosen Artikel. Im selben Atemzug lobte er sich, für das positive Image der Türken in Deutschland etwas beigetragen zu haben, auch wenn es nicht unbedingt beabsichtigt gewesen war.
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S ie zeigen mir einen Zettel mit einer Adresse und behaupten, dass ein Mann, der ausgerechnet ›der Deutsche‹ genannt wird, Florian Krusts Mörder ist – ja, haben Sie noch alle Tassen im Schrank?«, tobte Kommissariatsleiter Weniger vor Demirbileks Schreibtisch und holte weiter aus. »Ein türkischer Auftragskiller, der nach München kommt, um eine Tasche voller Geld abzuholen! Kein Name. Keine Identität. Nur die äußerst vage Personenbeschreibung eines Mannes, der selbst wegen Mordes gesucht wird. Wir haben nichts, keine Beweise, nichts Handfestes, nur den Zettel dieser vermaledeiten Frau. Mensch! Demirbilek!«
»Beweise wird es geben, wenn wir ihn gefasst und ich ihn verhört habe. Der Deutsche weiß nicht, dass wir auf ihn warten. Mehr kann ich nicht dazu sagen. Noch leite ich die Ermittlungen. Vertrauen Sie mir.«
»Ich vertraue Ihnen, sonst hätten Sie den Posten nicht. Doch wenn die Aktion schiefgeht …«
»Stelle ich meinen Stuhl zur Verfügung«, unterbrach Demirbilek ihn.
»So habe ich das nicht gemeint!«, lenkte Weniger ein.
»Wie dann?«
»Ach! Lassen wir das … Wieso sind Sie eigentlich so überzeugt davon, dass Ihnen Frau Güzeloğlu keinen Bären aufgebunden hat?«
Demirbilek legte seinem Chef Überwachungsfotos vor. »Kam gerade per Mail aus Istanbul.«
Laut Datum und Uhrzeit handelte es sich um Passagiere der Fähre, auf die Gül Güzeloğlu auf der Galatabrücke gedeutet hatte. Ahmet Burak, dessen richtiger Familienname nach Auskunft der türkischen Kollegen Öncel lautete, war deutlich darauf zu erkennen.
»Exzellente Qualität. Kriegen Sie mal raus, was die Kollegen in Istanbul für ein System verwenden«, meinte Weniger ernst.
»Mach ich«, versprach Demirbilek und fügte hinzu: »Der Deutsche wird international unter dem Codenamen
Alman
gesucht. Auch wenn wir seine Identität nicht kennen, so passt die Täterbeschreibung auf mindestens elf offene Mordfälle. Frau Tavuk hat zudem ausgesagt, dass sie von einem Mann gefoltert wurde, der Türkisch sprach. Ich bin ihm übrigens selbst begegnet, vor dem Schuss auf Krust. Er war als Möbelpacker bei den Güzeloğlus.«
»Was? Und das erfahre ich erst jetzt?«
»Besser jetzt als nie«, antwortete Demirbilek schnell.
»Dann schnappen Sie ihn, kann pressetechnisch nicht schaden! Trotzdem … Die Observation der Moschee mit zwanzig Mann läuft seit gestern Abend. Das sind irrsinnige Überstunden! Wenn der Kerl nicht bis neunzehn Uhr auftaucht,
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