Kommissar Pascha
Verhör wird auf Video aufgezeichnet.«
»Ist mir recht. Aber kann ich vielleicht rauchen?«
Demirbilek stutzte. Eine Frau mit Schleier raucht nicht, zumindest nicht in der Öffentlichkeit. Merkwürdig, fand er, wo bewahrt sie ihre Zigaretten auf, eine Handtasche hatte er nicht bemerkt – und er antwortete: »Nein, das geht nicht.«
»Dann machen Sie bitte schnell«, erwiderte die Frau gequält.
Ja, dachte Demirbilek, die Neue hatte wohl recht. Die Eltern warten zu Hause, die beiden Kinder, Verwandte und Freunde ebenso. Trotzdem hätte sie das mit ihm abklären müssen. Dann schaltete er die kleine Videokamera ein.
Vierkant und Cengiz konnten über einen Kontrollmonitor nebenan das Verhör verfolgen.
»Zuerst Ihren Namen und Ihre Adresse.«
»Ayfer Karaboncuk, Werinherstraße.«
»In Giesing, ja?«
»Giesing«, wiederholte die Frau.
»Sie sprechen gut Deutsch.«
»Ich bin Münchnerin. Auch, wenn ich nicht so aussehe«, gab sie trocken zurück.
Der Kommissar ignorierte die Bemerkung. »Sagen Sie mir, wann Sie Ihren Mann als vermisst gemeldet haben.«
»Das Schwein von einem Ehemann habe
ich
bestimmt nicht vermisst gemeldet. Das war meine Schwester«, antwortete sie unerwartet laut.
Demirbilek brauchte einen Moment. Wo blieb die Trauer um den verstorbenen Ehemann? Wo die hinter dem Schleier verborgenen Tränen?
»Das Herumficken mit den Weibern im Club hat ihn das Leben gekostet. Allah sei Dank. Er hat meine Gebete erhört!«, setzte sie nach einer kleinen Pause hinzu.
»Sie sind also froh, dass Ihr Mann nicht mehr lebt?«
»Er hätte nie geboren werden dürfen«, stellte die Frau ungerührt fest.
Zeki Demirbilek irritierte der Hass auf den Ehemann. Ein bohrender, von einer großen Enttäuschung genährter Hass zehrte die Frau von innen auf.
Er lauschte dem schweren Atmen hinter dem Schleier. Er fixierte die kaum wahrnehmbaren Augen hinter dem leicht durchlässigen Stoff.
»Was für einen Club meinen Sie? Ein Bordell?«
»Er und sein Bruder haben von einem Wellnessparadies gesprochen. Aber Sie haben recht, es ist ein Puff.«
»Wie heißt das Wellnessparadies?«
»Sultans Harem. Aber das steht alles bestimmt detailliert in den Akten«, erwiderte sie angestrengt und zupfte dabei nervös an ihrem Schleier.
»Nein«, gab Demirbilek kurz angebunden zurück. Er hatte von dem Bordell noch nie gehört. War es neu?
»Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?«
»Vor zwei Tagen. Er ist zur Arbeit. Nachts um zehn.«
»Er ging zur Arbeit, obwohl er arbeitslos gemeldet ist. Stimmt das?«
»Was meinen Sie mit arbeitslos?«, fragte die Frau überrascht.
Er glaubte ihrer Reaktion. Sie wusste nicht, dass ihr Mann offiziell keiner Arbeit nachging. Demirbilek nahm die Vermisstenakte und sah nach.
»Seit vier Monaten ist Ihr Mann arbeitslos gemeldet.«
»Dann hat er ja Arbeitslosengeld bekommen. Steht das da auch drin?«
»Das geht Sie nichts an. Also, was hat Ihr Mann gearbeitet?«, fragte Demirbilek forsch nach. Er glaubte, ein erstauntes Gesicht hinter dem Schleier zu erkennen.
»Er hat sauber gemacht, zusammen mit seinem Bruder. Von wegen Gebäudemanagement. Er war eine mobile Putze, so was wie ein Springer, wenn jemand krank wurde. Der war mal hier, mal da. Vor allem nachts nach den Bürozeiten. Er hat einfach nichts anderes gefunden. Die Kinder durften das nicht wissen. Wir haben erzählt, dass er bei BMW arbeitet.«
»Und im Sultans Harem hat er mit seinem Bruder als mobile Reinigungskraft gearbeitet?«
»Glaub schon. Ali, seinem Bruder, ist es mal rausgerutscht. Bülent hat nie erzählt, wo er gerade arbeitet. Ich habe gemerkt, dass es Bülent gefallen hat, die Scheiße und Pisse von den Hurenböcken wegzuwischen. Und die Huren dort zu ficken.«
»Wo? Im Sultans Harem?«
»Ja! Wo sonst?«
»Ihr Mann ist zwei Nächte nicht nach Hause gekommen. Was haben Sie den Kindern gesagt? Haben Sie sich denn überhaupt nicht gewundert?«
»Ich war froh, dass er nicht da war, die Kinder auch. Glauben Sie mir. Wer seine Frau und seine Kinder nicht ehrt, hat den Tod verdient. Glauben Sie mir. Er hat rumgefickt.«
»Wie kommen Sie darauf? Erklären Sie es mir.«
»Seit er im Sultans Harem vor drei Monaten angefangen hat, hatte er plötzlich Geld … und dann gab es eine andere.«
»Was? Eine Frau?«
»Ja. Er hat von ihr im Schlaf geredet.«
»Ich verstehe das nicht, Frau Karaboncuk. Sie sagen, Ihr Mann musste sterben, weil er eine andere Frau kennengelernt hat? Wollte er Sie verlassen?«
Mit der
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