Kommissar Pascha
hatte. Er war mit einer Zigarette im Mund direkt hinter ihr in der Schlange eines Glühweinstandes gestanden. Sie hatte sich abrupt zu ihrer wartenden Freundin umgedreht, ihre wehenden Haare hatten sich dadurch in Zekis Zigarette verfangen. Der Geruch von verbranntem Haar hatte sich unter die vorweihnachtlichen Düfte gemischt. Als Entschuldigung hatte er sie und ihre Freundin zu einem Becher Glühwein eingeladen. Drei Monate später hatte er mit Frederike Schubert zwei herrliche Frühlingswochen in Antalya verlebt. Die standesamtliche Heirat in der Mandlstraße am Englischen Garten war ein halbes Jahr später erfolgt.
Eigenartig, fand Zeki, während er seine zweite Ehefrau beobachtete. Sollte sie, statt ein Buch zu lesen, nicht in den Monitor schauen, um Informationen abzugleichen oder Bestände nachzuprüfen? Frederike lächelte bei der Lektüre ihres Buches. Ein Schutzumschlag aus Plastik verbarg den Titel vor neugierigen Blicken. Die Lesebrille auf ihrer Nase, fiel ihm jetzt auf, war neu. Etwas zu extravagant vielleicht. Eine rote, geschwungene Fassung. Er verzog abwägend das Gesicht und machte sich mit einem leisen Pfiff bemerkbar.
Frederike hob verdutzt den Kopf. Sie überlegte einen Moment, ob sie willens war, ihn zu sprechen. Schließlich nahm sie das Schild »Bin draußen beim Rauchen« und stellte es auf die Schaltertheke. Dann holte sie aus ihrer Handtasche Zigaretten, Feuerzeug und ein Kuvert.
In der Nähe des Hintereingangs gab es eine Bank, sie setzten sich. Freundlich nickende Studenten grüßten beim Vorbeigehen. Sie rauchte die Ultradünnen. Zeki dachte an den kratzigen Geschmack seiner Reval ohne Filter. Zwei Päckchen am Tag. An Sonntagen, wenn er nicht viel zu tun hatte, oft auch mehr.
»Wie viele?«, fragte Zeki ohne Neid und ohne Vorwurf.
»Meine fünfte heute. Maximal zehn.«
Zeki nickte anerkennend. Sie reichte ihm das Kuvert in ihrer Hand. Es war weiß. Die Briefmarke türkisch. Das Konterfei von Atatürk als junger Mann, voller Tatendrang und großer Vision im Blick. Er erkannte sofort die Handschrift des Absenders. Was will sie von mir?, fragte er sich nervös und breitete gleichzeitig innerlich weit die Arme aus, um die Vorfreude auf das Öffnen des Kuverts zu feiern.
»Ein Fehler beim Nachsendeantrag. Liegt seit ein paar Tagen bei mir herum. Wollte ich dir heute beim Anwalt geben«, erklärte Frederike.
Zeki bedankte sich und steckte den Brief in die Innentasche seines Sakkos. Dann holte er das zweite Taschentuch, das er für den Tag eingesteckt hatte, und wischte sich über die Handrücken.
Frederike bemerkte, dass er abgespannt und nervös war. Der Brief seiner ersten Ex konnte nicht der Grund sein, er konnte ja nicht wissen, was darin stand. Vielleicht der verpasste Anwaltstermin? Aber nein, das war ihm ziemlich egal. Respekt vor Anwälten war Zeki fremd. Was ist mit ihm los?, fragte sie sich und drückte die Zigarette aus.
»Hast du Lust, heute Abend zum Essen zu kommen? Zitronenhuhn vielleicht? Özlem mag das auch«, fragte er.
»In drei Jahren Ehe hast du, wenn es hochkommt, fünf Mal gekocht. Jedes Mal gab es Zitronenhuhn. Du kannst gar nichts anderes«, entgegnete Frederike brüskiert, die wusste, dass Zeki gerne von sich behauptete, kochen zu können.
»Immerhin, oder?«
»Was ist los, Zeki? Du willst dich doch nicht für den verpassten Anwaltstermin entschuldigen, oder?«
»Heute Abend, bitte«, insistierte er.
»Zeki, dein osmanisches Gehabe geht mir auf die Nerven!«, fauchte sie.
»Es hat nichts mit unserer Scheidung zu tun. Ich unterschreibe alles, was dein Anwalt vorsetzt. Hauptsache, ich kann in der Wohnung bleiben.«
Er beobachtete, wie sie auf die Uhr blickte, entschied, dass sie noch Zeit hatte. Mit unruhiger Hand zündete sie eine zweite Zigarette an.
»Du bist und bleibst ein eingebildetes Mannsbild! Ich will die Wohnung nicht, das weißt du!«, schob sie erbost nach.
»Die Wohnung ist für Özlem«, erklärte er unaufgefordert.
»Meinst du es ernst mit den Papieren?«, fragte sie unsicher. »Vor einer Woche klangst du noch anders.«
»Ja, ich meine es ernst. Ich will dir und deinem neuen Mann nicht im Weg stehen.«
Frederike musterte ihn skeptisch. Was war nur aus dem streitsüchtigen Mann, der stolz war, Türke zu sein, geworden? »Ich hätte erwartet, dass du mit einer neuen Idee ankommst, wie wir unsere Ehe retten können. Nach Istanbul fahren, Urlaub machen oder ich weiß nicht was! Merkst du eigentlich, wie deutsch du geworden bist?«,
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