Kommissar Pascha
nachgegeben hatte. Bei den Untersuchungen in der Klinik zeigte sich, dass sie keine inneren Verletzungen hatte und keine Gefahr eines Schädel-Hirn-Traumas bestand. Das Hämatom am Bauch würde sie allerdings ein paar Tage begleiten, klärte sie der indischstämmige Notarzt auf. Er wollte sie für eine Woche krankschreiben, doch Cengiz verzichtete darauf. Sie habe Glück gehabt, sagte der Arzt abschließend, der Sturz auf den Hinterkopf hätte weitaus schlimmer enden können.
Beim Ankleiden entdeckte Cengiz Spuren auf ihrer weißen Bluse. Ein halber Sohlenabdruck des Stiefels war verschmiert zu erkennen. Sie roch daran und identifizierte den eindeutigen Geruch von Schwarztee. Irgendwie musste der Stiefel mit
çay
in Verbindung gekommen sein. Sie konnte sich jedoch keinen Reim darauf machen, wie.
Leipold deklarierte kurzerhand die Bluse zum Beweisstück und packte sie für die Spurensicherung weg. Um nicht halbnackt im Präsidium zu erscheinen, sprach Cengiz eine Krankenschwester an. Die resolute Frau kürzte ein OP -Hemd auf ihre Hüfthöhe und schnürte es ordentlich zu.
Mit dem improvisierten Oberteil begrüßte sie nun Demirbilek, der zur Tür hereinkam und sich freute, dass der Angriff glimpflich ausgegangen war. Er bemerkte zwar das gewöhnungsbedürftige Oberteil, maßte sich aber nicht an, über modische Fragen laut zu urteilen. Stattdessen wollte er wissen, warum sie bei der Attacke allein gewesen war. Leipold wollte sich schon zu Wort zu melden, aber Cengiz hatte vor ihm eine Antwort parat.
»Ich hab mich vor dem Haus mit einem Schulschwänzer angelegt. Dachte, dass er vielleicht der Karaboncuk-Sohn ist. Das Kerlchen ist mir aber entwischt. Als ich zurückgekommen bin, stand die Haustür offen. Ich habe geglaubt, Pius ist vorausgegangen, da bin ich eben alleine hinein. Ich kann mich an alles vor dem Sturz erinnern. Allerdings ist das nicht viel … Ein Mann kam mir auf der Treppe entgegen.«
»Ein Mann?«, wiederholte Demirbilek. »Bist du sicher?«
»Absolut. Ich war zwar auf die Treppenstufen konzentriert, habe aber den schwarzen Stiefel gesehen. Was ich komisch finde, er konnte nicht wissen, dass ich Polizistin bin. Warum sollte er mich treten?«
»Ist doch klar, er wollte keine Zeugen«, wandte Leipold ein.
»Ja, schon. Aber keine Zeugen für was? Zu der Zeit konnten wir nicht wissen, dass er in der Wohnung der Karaboncuks Feuer gelegt hat, oder?«
»Wissen wir denn, dass es derselbe Mann ist?«, fragte Demirbilek.
Leipold erzählte von Cengiz’ Bluse mit dem Stiefelabdruck. Jetzt verstand der Kommissar, warum sie ein OP -Hemd trug, und erklärte: »In der Küche war eine Lache auf dem Boden.
Çay
und Teeblätter. Jemand ist reingetreten.«
Cengiz räusperte sich umständlich. »Dann haben wir unseren Mann. Ich dachte, weil der Abdruck bräunlich war … Sie wissen schon … Ich habe daran gerochen. Es ist eindeutig
çay.
«
»Gut, sagen wir, der Mann, der dich getreten hat, ist derselbe, der die Wohnung verwüstet hat. Dann hatte er ja allen Grund, eine potenzielle Zeugin daran zu hindern, ihn zu sehen. Meinst du, hinter dem Tritt steckte eine Tötungsabsicht, Cengiz?«, fragte Demirbilek nüchtern.
Leipold kam ihr zuvor. »Worauf willst du hinaus, Zeki? Dass der Mann Jale kannte? Wusste, dass sie Polizistin ist?«
»Genau darum geht es«, erwiderte Cengiz.
Demirbilek wartete, ob Leipold noch etwas sagen wollte. Er nahm einen Schluck Kaffee aus dem Becher.
»Ich weiß nicht. Kann auch sein, dass der Kerl einfach nur Panik hatte.«
Demirbilek behielt seine Enttäuschung über Leipolds verharmlosende Bemerkung für sich und schaute seine Kollegin an.
»Cengiz, wenn ich dich richtig verstehe, willst du darauf hinaus, dass der Mann dich oder uns kennt.«
»Genau das macht mir Sorgen«, meinte Cengiz.
»Das muss dir aber keine Sorgen machen. Der Mann konnte nicht wissen, dass er gerade dir auf der Treppe begegnen würde. Es war ein Zufall, es hätte genauso gut mich, Pius oder einen der Hausbewohner treffen können. Er ist hinter dem Material her, mit dem Gül Güzeloğlu erpresst wurde – wie wir«, beruhigte sie der Kommissar.
»Da haben Sie wahrscheinlich recht«, sagte Cengiz etwas entspannter.
Demirbilek beließ es dabei, obwohl er ahnte, dass Cengiz mit ihrer Sorge nicht unrecht hatte.
»Haben Sie die Mail von den Ballistikern gelesen?«, wechselte Cengiz das Thema.
»Nein. Was schreiben sie denn?«
Leipold stellte sich hinter Cengiz, um den Bericht mitlesen zu können.
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