Kommissar Pascha
Demirbilek tat es ihm gleich. Alle drei Augenpaare liefen über den Bericht. Leipold murmelte die Wörter laut vor sich hin. Demirbilek war als Erster fertig.
»Das wird ja immer interessanter«, sagte er. »Schick das an Weniger weiter, und druck es für mich aus. Vierkant ist bei der Bank, sie isst unterwegs eine Kleinigkeit. Geht ihr zwei Mittag machen. Ich rufe Weniger an und komme in die Kantine nach.«
»Mir wäre es lieber, ich könnte mich umziehen, ich fühl mich nicht gerade super in dem OP -Hemd«, erwiderte Cengiz.
»Gut, mach das«, lenkte Demirbilek sofort ein.
»Das Blöde ist, ich habe keinen Schlüssel für Ihre Wohnung.«
»Ach ja.« Demirbilek zog den Schlüsselbund aus der Hosentasche. »Willst du dich nicht ein wenig hinlegen?«, fragte er fürsorglich, als er sicher war, dass Leipold ihrem Gespräch nicht folgte.
»Nein, mir ist es lieber so. Mir fehlt nichts.«
»Wie du meinst … Im Flur steht ein Sideboard. In der oberen Schublade liegt ein Ersatzschlüssel.«
Er holte einen 10 -Euro-Schein aus dem Geldbeutel und gab ihr das Geld. »Lass ihn nachmachen, und behalte einen, solange du bei mir wohnst. Der andere ist für Aydin, er kommt heute Abend … Wenn du dir was zu essen machen willst, nur zu. Es reicht, wenn du zur Besprechung in zwei Stunden wieder da bist.
Tamam mı?
«
Cengiz lächelte dankbar, als die Tür aufging.
Eingeschüchtert wie ein Mäuschen betrat Derya Tavuk die Diensträume. Demirbilek und Cengiz drehten verwundert die Köpfe, sie hatten kein Klopfen gehört.
»Was ist passiert?«, fragte Cengiz besorgt und eilte auf sie zu.
Eine Reihe kleiner Pflaster klebten auf dem Gesicht der Frau. Sie sah verängstigt und mitgenommen aus.
»Ich komme gerade aus dem Krankenhaus. Es geht schon wieder … Bei mir war ein Mann.«
»Wann?«, fragte der Kommissar bestürzt nach.
»Kurz nachdem Sie und Ihre Kollegin weg sind.«
»Hat er Sie angerührt … Ich meine …«
»Nein, das hat er nicht … Das hat ihn nicht interessiert. Er hat auf meinem Gesicht seine Zigaretten …« Mehr brachte Derya Tavuk nicht über die Lippen. Sie schluchzte bei den Gedanken an die Schmerzen, die sie erleiden musste. Cengiz schenkte ein Glas Wasser ein und bot es ihr an. Sie trank es wie eine Verdurstende in einem Zug aus und setzte sich auf einen Stuhl.
»Er hat nach etwas gesucht, was Stefan gehört. Ich wusste von nichts, aber das wollte er zuerst nicht glauben«, begann sie dann mit gebrochener Stimme.
»Haben Sie sein Gesicht gesehen?«, fragte Demirbilek mit etwas Hoffnung in der Stimme.
»Nein. Er hat mich in die Wohnung gedrängt und die Augen verbunden. Er war so wütend«, sagte Derya zutiefst erschüttert. »Er sprach Türkisch. Sehr gepflegt. Ich bin sicher, er kommt aus Istanbul.«
Demirbilek und Cengiz sahen sich an. Immerhin wussten sie jetzt, dass sie hinter einem Türkisch sprechenden Mann her waren.
»Was hat er denn gesucht?«, erkundigte sich Cengiz.
»Einen Schlüssel. Wie sagt man … Ich kenne das deutsche Wort nicht …«
»Meinen Sie einen Tresorschlüssel?«, half Demirbilek aus. Er war sich absolut sicher, mit seiner Vermutung recht zu haben.
Derya sah zu den beiden hoch. »Woher wissen Sie das?«
[home]
39
V or dem Mittagessen telefonierte Demirbilek mit Kommissariatsleiter Weniger. Die Aufklärung des Mordes und das damit im Zusammenhang stehende Verschwinden der Unternehmertochter Gül Güzeloğlu erfordere einen immensen Ermittlungsaufwand, argumentierte er. Dank seiner dramatischen Darstellung von Jale Cengiz’ Begegnung mit dem unbekannten Mann, der aller Wahrscheinlichkeit nach auch Derya Tavuk zusammengeschlagen hatte, überzeugte er schließlich Weniger, ihm weiteres Personal zur Verfügung zu stellen. Sieben zusätzliche Ermittler, darunter Pius Leipolds Kollegen Herkamer und Stern, saßen nun dicht gedrängt im Sonderdezernat Migra.
Kurz nach zwei öffnete sich die Tür. Demirbilek folgte mit seinen drei Leuten Kommissariatsleiter Weniger. Er begrüßte kurz alle und dankte in seiner unverbindlich jovialen Art für das Kommen. Ausdrücklich betonte er, dass die aktuellen Fälle, an denen die ausgeliehenen Ermittler arbeiteten, drei Tage ruhen müssten. Dann übergab er das Wort an Demirbilek und setzte sich auf die Tischkante, stand jedoch gleich wieder auf und bat darum, die Handys auszuschalten. Was Herkamer zur Frage verleitete, ob man hier im türkischen Kino sei. Das Gelächter hielt sich in Grenzen über die witzig gemeinte
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