Kommissar Pascha
unerwarteten Glamour.
Ohne von den Anwesenden Notiz zu nehmen oder sich gar irritieren zu lassen, richtete sie das Wort direkt an Zeki Demirbilek.
»
Komiser Bey,
man hat mir ausgerichtet, dass Sie mich sprechen wollen?«, hauchte sie mit tonloser, schwacher Stimme.
Gül wirkte zerbrechlich und müde, fand Demirbilek, gleichzeitig war er nicht sicher, wie er ihren dramatischen Auftritt einordnen sollte. Jedenfalls entzückte ihn der Gedanke, die Frau, die der Schlüssel zur Aufklärung des Falles zu sein schien, endlich vernehmen zu können. Äußerlich unbeeindruckt forderte er mit einem Zeichen Cengiz auf, sich um Frau Güzeloğlu zu kümmern.
»Meine Kollegin Cengiz begleitet Sie in die Kantine. In zehn Minuten komme ich nach.«
Gül Güzeloğlu war es gewohnt, dass man alles stehen und liegen ließ, um sich ihr zu widmen. Mit einem süffisanten Lächeln kommentierte sie die Zurückweisung des Kommissars. Dann nickte sie Cengiz zu, die aus dem Büro hinausging, und folgte ihr.
Das aufgeregte Raunen der Beamten ebbte erst ab, als der Kommissariatsleiter zur Ruhe mahnte. Nachdem er sich der Aufmerksamkeit der Ermittler sicher war, fuhr Demirbilek fort, Vierkants Informationen vorzutragen. Er projizierte das Foto eines aus Hunderten von Papierfetzen zusammengestückelten Dokuments an die Wand.
»Vierkant konnte im Tresor, den Bülent Karaboncuk angemietet hat, diesen Patientenaufnahmebogen sicherstellen. Interessant ist das Datum. Laut den Eintragungen hatte Gül Güzeloğlu vor drei Monaten einen Termin bei einem privaten Gyn-Zentrum. Ebenfalls vor drei Monaten wurde Bülent Karaboncuk als Geschäftsführer des Sultans eingetragen. Wahrscheinlich hat er da angefangen, sie zu erpressen – Gül war nämlich wegen ihres Hymens in der Klinik.«
Demirbilek wartete die überraschten Bemerkungen des Teams ab. Er fragte sich, wie die Unternehmertochter reagieren würde, wüsste sie, welche intimen Details sie besprachen.
»Was meinst du damit?«, fragte Leipold für alle nach. »Gyn-Zentrum? Hymen?«
»Hymen ist das Jungfernhäutchen«, ergriff Vierkant das Wort, die im Sitzen ihr Lampenfieber einigermaßen im Griff hatte. »Vor allem muslimische Frauen wollen oder müssen als unschuldige, unversehrte Frau in die Ehe gehen. Sinn und Zweck ist es, das eingerissene Hymen wiederherzustellen. Es soll in der Hochzeitsnacht reißen und anständig bluten, damit sich das Laken rot verfärbt und der Ehemann weiß oder glaubt, dass er der Erste ist, der mit seiner Frau schläft. Es gibt gynäkologische Zentren, die machen solche Eingriffe, also operieren das. Will jemand wissen, wie das geht?«
Der Wissensdurst der Zuhörer hielt sich in Grenzen, dennoch ließ es sich Vierkant nicht nehmen, die Runde zu informieren. Isabel kam langsam in Fahrt.
»Die Reste des Jungfernhäutchens werden mit selbstauflösenden Fäden zusammengenäht. Unter örtlicher Betäubung natürlich. Einen Tag nach der Operation kann die Frau wieder nach Hause. Wenn es dann so weit ist, spürt der Mann, dass er der Erste ist beim … Eindringen. Es blutet aber nicht immer, dafür geben die Ärzte keine Garantie. Es gibt das eine und andere Hilfsmittel, damit der Mann auch wirklich rot sieht. Aber das erspare ich euch jetzt.«
»Na bravo«, machte sich einer der Beamten über Vierkants Ausführungen lustig.
Demirbilek verkniff sich eine böse Bemerkung, das erledigte Isabel Vierkant selbst.
»Hör mal, ich weiß schon, wie du das meinst … Das machen aber nicht nur muslimische Frauen, drüben in Amerika und auch bei uns und in Europa wird das immer populärer. Es gibt welche, die schenken ihre Jungfernschaft ihrem Bräutigam zur Hochzeit, wenn du verstehst, was ich meine, Kollege, obwohl die vorher jahrelang …«
Demirbilek griff ein und beruhigte seine aufgebrachte Kollegin und die Beamten, die untereinander diskutierten.
»Danke, Vierkant. Hört noch mal kurz zu, Leute, das Dokument aus dem Tresor deutet darauf hin, dass Gül Güzeloğlu erpresst wurde, weil sie keine Jungfrau mehr war. Da haben wir ziemlich sicher unser Motiv. Aber denkt daran, wir suchen jetzt den Mörder des zweifachen Mörders Metin Burak. So, alle an die Arbeit«, schloss Demirbilek die Lagebesprechung. Dann wies er Leipold an, auf Cengiz zu warten und dann so schnell wie möglich in das gynäkologische Zentrum zu fahren. Demirbilek war sicher, dass sie auf der richtigen Spur waren.
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G ül Güzeloğlu hatte das schwarze Kopftuch abgelegt und über den
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