Kommissar Pascha
Moschee in Eminönü vorbei. Die vielen Menschen und der durch die Lautsprecher hallende Ruf des Muezzins wirkten sich auf Leipolds Aufmerksamkeit aus. Zweimal rannte er in Passanten hinein, einmal davon in eine verschleierte Frau, deren Ehemann Leipold wütend zur Rede stellte.
Demirbilek regelte die Angelegenheit für seinen Kollegen auf türkische Art. Er lud den Mann und seine Frau auf einen Tee ein. Danach mussten die beiden Polizisten schnell machen, sie waren spät dran.
Bei Leipold prägten sich die erhabene Aussicht auf die Moscheen und der umtriebige Schiffsverkehr als bleibender Eindruck ein. Beim Überqueren der zweigeschossigen Brücke passierten sie Angler, die ihr Glück bei den Fischen im Goldenen Horn versuchten. In der Mitte der Galatabrücke entdeckten sie Gül. Sie trug ein einfaches schwarzes Kleid und hatte das Kopftuch traditionell gebunden – sie gab das brave Mädchen vom Lande, urteilte Demirbilek.
Gül nickte den beiden Männern zum Gruß zu und deutete auf ein Fährschiff, das gerade ablegte.
»Ahmet verlässt die Stadt«, erklärte sie ohne jegliche Gefühlsregung.
Demirbilek nahm Leipold ein Stück zur Seite. Beide lehnten sich mit den Unterarmen auf das Eisengeländer der Brücke und blickten auf die Fähre, die sich zwischen Booten und Schiffen hindurchschlängelte.
»Pius, mein Gefühl sagt mir, dass die Frau irgendetwas im Schilde führt. Vielleicht ist es besser, wenn du bei dem Gespräch nicht dabei bist. Nicht, dass es am Ende uns beide den Kragen kostet.«
Leipold klopfte Demirbilek auf die Schulter. »Danke für das Angebot, alter Türke. Aber ich bin nicht den weiten Weg gekommen, um das Beste zu verpassen. Du verhörst sie, und ich geh dazwischen, wenn es sein muss. In Ordnung?«, entschied er, was Demirbilek mit Erstaunen und Respekt zur Kenntnis nahm.
Gül rauchte, als die beiden wieder zu ihr traten. In der Hand hielt sie einen Zettel.
»Ich habe einen Vorschlag. Ein Geschäft, das für beide Seiten gut ist … Sie lassen Ahmet Burak in Ruhe, dafür liefere ich Ihnen Florian Krusts Mörder. Er ist derselbe, der ihre Kollegin angeschossen hat«, unterbreitete sie den Polizisten, wobei sie das Wort vornehmlich an den türkischen Kommissar richtete.
Die beiden sahen sich stumm an. Gül redete weiter, die Verblüffung dauerte ihr zu lange. »Ahmet hat einen Anruf von seinem Vater bekommen, nachdem er Karaboncuk erdrosselt hat. Er war sturzbesoffen, abgefüllt mit Bier und Rakı. Aus eigener Kraft hat er es nicht geschafft, den toten Karaboncuk wegzutragen.«
»Und der andere, Stefan Tavuk?«, fragte Demirbilek.
»Metin hat Ahmet gezwungen, von Anfang an dabei zu sein. Sie haben diesem Tavuk mit einem meiner Handys eine SMS geschickt, damit er ins Sultans kommt. Sein Vater meinte, Ahmet wäre das meiner Familie schuldig. Mein Vater hat ihm ein Dach über dem Kopf und eine Anstellung gegeben. Was sollte Ahmet tun? Er war sein Sohn.«
»Und was haben Metin und Ahmet Burak in Tavuks Auto gesucht?«, hakte Demirbilek nach.
»Karaboncuk hat geschworen, dass Stefan Tavuk den Tresorschlüssel immer bei sich trägt. Er war nackt, als er starb, also hat Ahmet den Schlüssel im Spind bei Tavuks Sachen gesucht. Er hat ihn dort aber nicht gefunden, deshalb wollte sein Vater im Auto nachsehen«, antwortete sie.
»Wieso kam es dann zu dem Schuss?«
»Ahmet hat versucht, seinem Vater die Waffe abzunehmen.« Sie zog bedächtig an der Zigarette.
Demirbilek hätte sie ihr am liebsten aus der Hand geschlagen. »Was ist geschehen? Erzählen Sie schon!«
»Er wollte sich umbringen.«
»Metin Burak? Warum das?«, fragte Demirbilek überrascht.
»Weil der Tresorschlüssel nicht im Wagen war. Er befürchtete, dass die Angelegenheit Schande über die Familie Güzeloğlu bringen würde. Er hatte versagt. Er wusste von der Bedeutung der anstehenden Heirat.«
Leipold schüttelte den Kopf.
Demirbilek wusste nicht, ob er ihr glauben sollte. »Das alles hat Ihnen Ahmet gestanden. Warum erzählt er uns das nicht selbst?«
»Herr Weniger hat morgen eine eidesstattliche Erklärung auf dem Schreibtisch, da können Sie alles genau nachlesen. Ordentlich mit Unterschrift.«
Demirbilek blickte zu Leipold, der ebenso skeptisch zu sein schien wie er.
»Und was soll das mit den Reißnägeln gewesen sein?«, meldete sich Leipold nun doch zu Wort.
Gül lachte auf. »Das hat ihn Ahmet auch gefragt. Sein Vater hat ihm erzählt, dass er das aus der Armee hat. Männerspiele.«
»Männerspiele?«,
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