Kommissar Steen 01 - Unruhe
der Unruhen war Modpress voller Aktivisten, NGO er und Journalisten gewesen, und Sonne hatte die Redaktion schon am Donnerstag vor dem Mord in Gesellschaft einer größeren Gruppe ausländischer Journalisten besucht. Dort hatte er in einem Karton mit Handys und Ladegeräten herumgewühlt, und daraus zog man die Schlussfolgerung, dass er bei dieser Gelegenheit mehrere Telefone gestohlen hatte, darunter auch das, mit dem er später den Verdacht auf Lindberg lenkte.
In Sonnes Wagen fanden sich Reste von Kokain sowie eine große Summe Geld, von der man annahm, dass sie von Moussa stammte, allerdings war es unmöglich, das zu beweisen. Und das Kokain blieb verschwunden.
Die Häuser und die Linden entlang der Øster Søgade spiegelten sich in der glatten Schwärze des Sees, es sah aus, als wüchsen sie hinunter ins Wasser. Es wirkte nicht wie ein Spiegelbild, mehr wie ein Palast, der sich aus dem Wasser erhob, umgeben von Inseln aus hellgrünem und braunem, verwelktem Seegras. Was befand sich dort unten? Axels Blick glitt über die Mauern, die mit den wuchernden Inseln aus Wasserpest und Algen verschmolzen, ein unterseeischer, verwunschener Louvre.
Ein Windstoß, und das kräuselnde Wasser wischte die Stadt im See weg, die kleinen Wirbel krochen auf ihn zu, Welle um Welle. Eine Möwe schaukelte in der Dünung, hob ab und flog mit einem klagenden Schrei hinüber ans andere Ufer, wo ein älterer Türke in brauner Jacke und mit einem Sixpence auf dem Kopf Stücke von einem Pitabrot ins Wasser warf, um die sich Stockenten, Schwäne und Blässhühner balgten.
Er sah hinüber zur Dronning Louises Bro mit ihren acht Kuppeln und den grauweißen Fahnenstangen, die in die Luft ragten; ein Tretboot hatte sich unter einem der drei Brückenbögen festgekeilt. Auf der dem See zugewandten Seite hatten sich einigeGraffiti-Künstler verewigt: Venom, Killcrew und Revenge stand da als Mahnung, dass hier Nørrebro begann.
Er ging die Telefonlisten durch, endlose Reihen aus Zahlen, Nummern und Zeitpunkten, alle Anrufe, die mit dem Fall zu tun hatten, einschließlich seiner eigenen, wie er sehen konnte. Er wurde wütend. Hatten sie tatsächlich geglaubt, er hätte etwas mit den Morden zu tun? Er blätterte weiter, bis er zu der Anrufliste kam, die die Gespräche zwischen den in den Fall verwickelten Personen zeigte. Sonne. Lindberg. Laila. Davidi. Ihm selbst. Er hatte mit Laila und Sonne telefoniert und rief sich die Gespräche ins Gedächtnis, während er die vielen Informationen überflog, die für sich genommen nichts zu bedeuten hatten.
Sonne, Laila, Davidi. Ein Dreieck. Die Hauptfiguren des Falls.
Am Donnerstag, dem 1. März, hatte Davidi Laila angerufen, zweimal im Laufe eines Tages. Am Abend hatte Sonne bei ihr angerufen. Direkt danach hatte sie wiederum Davidi angerufen. Und dann Sonne. Drei Gespräche innerhalb von sechs Minuten. Vier Stunden später war Davidi tot.
Im Zeitraum zwischen dem letzten Gespräch und Davidis Tod hatte Henriette Nielsen Davidi im Hotel die Drogen übergeben und dabei bemerkt, dass er plötzlich Mut gefasst hatte und glaubte, die Operation könne tatsächlich gelingen. Jetzt wusste Axel, warum.
Er bestieg sein Rad und fuhr die Nørrebrogade hinunter. Er würde eine knappe halbe Stunde bis zum Rentemestervej brauchen – mehr als genug, um alles zu durchdenken.
Er war sich ihrer sicher gewesen, so sicher, dass er fünf Tage, nachdem man ihn aus dem Krankenhaus entlassen hatte, zu ihr rausgefahren war. Sie hatte ihn hereingebeten, ihn angesehen, die Hand ausgestreckt und die Wunde in seinem Gesicht berührt, hatte mit einer Zärtlichkeit gefragt, die ihm direkt ins Herz gefahren war. Sie hatten in der kleinen Küche Tee getrunken, und sie war spröde und abwartend gewesen. Louie war vom Training nach Hause gekommen, und Axel hatte mit ihm über Fußball und Pistolen geredet, hatte sich seine Soft-Gun angesehen. Louie hatte ihn gefragt, ob er es gewesen sei, der Jakob verhaftet habe, und Axel hatte Ja gesagt. Nachdem Louie ins Bett gegangen war, hatte sie von ihrer Beziehung zu Sonne erzählt, wie alleine sie gewesen war, als sie ihm begegnete, wie hilfsbereit er gewesen war. Zwar hatte sie von Anfang an gespürt, dass seine Erlebnisse ihn verletzt und seelisch zerstört hatten, doch war er dennoch sehr fürsorglich und aufmerksam gewesen, gut zu Louie, und das war alles, was sie vermisst hatte. Sie hatte sich in Sonne verliebt – sie sah Axel entschuldigend an, als sie das sagte –, obwohl sie
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