Bildern, die am 18. Mai 1993 aufgenommen worden waren. Auf einem erkannte er sein eigenes von Wut und Schock verzerrtes Gesicht, während er zusammen mit einem Kollegen die verletzte Nina in Richtung Blegdamsvej schleppte, weg von der Kette zurückweichender Polizisten. Ihre Augen schrien, und der Kiefer hing schief unter ihrem Gesicht. Er hielt seine Dienstwaffe in der einen Hand. Einen kurzen Augenblick hörte Axel wieder die Pflastersteine, die auf den Asphalt trafen, die Schüsse, die aus den Dienstwaffen abgefeuert wurden, und die rasende Menschenmenge, die im Rauch auf dem Sankt Hans Torv vor und zurück wogte. Verflucht noch mal, wie sehr er diesen kleinen Scheißkerl da drüben hasste.
»Wir haben einen rechtskräftigen Durchsuchungsbefehl. Er wird gerade hierhergebracht, und Sie bekommen ihn in ein paar Minuten zu sehen«, sagte Darling.
Lindberg sah ihn an und schüttelte resignierend den Kopf.
»Das reicht mir nicht. Ihr glaubt, das neue Terrorgesetz gibt euch das Recht, eure Polizeistaatregeln gegen friedliche Aktivisten anzuwenden, die dagegen protestieren, dass ihr das Jugendzentrum abreißt. Aber hier habt ihr nichts zu suchen, solange ich nicht die Unterschrift eines Richters auf einem Stück Papier zu sehen bekomme.«
Darling lächelte entwaffnend.
»Wir sind wegen eines Mordfalls hier. Bringen Sie die Dinge bitte nicht durcheinander.«
Axel trat einen Schritt vor.
»Keiner verlässt den Raum!«, rief er.
Das Mädchen, das ihn ein Schwein genannt hatte, drehte sich zu ihrem Laptop um und bewegte die Maus. In derselben Sekunde war Axel hinter ihr, eine Hand auf ihrem Arm.
»Niemand fasst etwas an, schon gar nicht die Computer. Unsere Techniker werden gleich hier sein.«
Axel überzeugte sich, dass alle seinen Anweisungen folgten. Er gab Darling ein Zeichen und begab sich in das Büro, aus dem Lindberg gekommen war. Auf einem Tisch stand ein großer Rechner. In der Programmleiste fand er Outlook und begann, E-Mails zu lesen, während er Darling mit Lindberg diskutieren hörte.
Allein in den letzten drei Stunden waren mehr als zweihundert Mails eingegangen, viele davon mit angehängten Fotos, sodass Axel jede einzelne öffnen musste, um feststellen zu können, ob das gesuchte Bild angehängt war. Bilder von brennenden Autos mit dem Text: Ist es etwa das, wofür wir kämpfen? Uniformierte, die auf Demonstranten einschlugen, weinende Emos vor dem Jugendzentrum. Schließlich fand Axel das Foto, auf dem die Leiche zu sehen war. Es war von der E-Mail-Adresse
[email protected] abgeschickt worden. Er leitetedie Nachricht an seine Mailadresse und an die Kriminaltechnik weiter, dann rief er BB an.
»Ich habe dir eine Mail mit einem Foto von der Leiche geschickt, das aufgenommen wurde, noch bevor wir am Tatort waren. Es sieht nicht so aus, als sei es mit einem Handy gemacht worden, dazu ist es zu scharf. Es kommt von einer Hotmail-Adresse, setzt alles daran, sie zurückzuverfolgen, und zwar jetzt.«
Er checkte Modpress’ Homepage. Dreiundfünfzig Minuten waren vom Zeitpunkt des Eingangs der Mail bis zur Veröffentlichung des Bildes samt Artikel vergangen, der kurz und sachlich die aktuellen Fakten zu dem Mord zusammenfasste – und der Lindbergs Signatur trug.
Autonomer am Jugendzentrum getötet. Polizei verhängt Nachrichtensperre
Will die Polizei den Mord an einem Aktivisten vertuschen, der sich für den Erhalt des Jugendzentrums eingesetzt hat? Diese Frage ist relevant, nachdem herausgekommen ist, dass ein Autonomer ganz in der Nähe des Jugendzentrums in einem Bereich ermordet wurde, zu dem nur die Polizei Zugang hatte.
Modpress liegt das Foto eines toten Mannes vor, der Absender ist unbekannt. Die Leiche wurde nur hundert Meter entfernt vom Jugendzentrum gefunden. Das Bild zeigt einen Mann, gegen die Friedhofsmauer gelehnt, dunkel gekleidet, mit Sturmhaube und Kampfstiefeln, dem man die Hände mit Kabelbindern am Rücken gefesselt hat, wie sie die Polizei als Handschellen benutzt.
Während der Räumung des Jugendzentrums war der Friedhof auf Veranlassung der Kopenhagener Polizei abgesperrt und von mehreren Einheiten bewacht worden. Die Polizei wollte zunächst nicht bestätigen, dass man in dem abgesperrten Bereich eine Leiche gefunden habe, räumte den Tatbestand aber widerwillig ein, nachdem sie aufgrund der bekannt gewordenen Fakten mehr und mehr unter Druck geriet. Obwohl alles darauf hindeutet, dass es sich um einen Aktivisten handelt, verweigert die Polizei Kopenhagen jeglichen