Kommissar Steen 01 - Unruhe
der Mauer etwa fünfzig Meter vom Tatort entfernt an einen Grabstein gelehnt standen und rauchten.
Er zeigte ihr den Bereich, der ihn interessierte, und bat sie, näher ranzuzoomen.
Die Leiche war nicht da, und es versetzte Axel einen Stich zu wissen, dass der Mann, der umgebracht worden war, zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich noch lebte. Gleich würde er hoffentlich zu sehen bekommen, was mit ihm geschehen war. Er konnte die zwei Mannschaftswagen sehen, die am Haupteingang weit weg vom Tatort platziert standen. Und anscheinend hielt auch direkt gegenüber dem Jugendzentrum ein Mannschaftswagen, es mussten also jede Menge Kollegen auf dem Friedhof sein. Nichts geschah. Alles stand still, nur aus einem abgefackelten Müllcontainer, der außerhalb des Friedhofs auf der Straße stand, quoll Rauch.
Die beiden Polizisten, von denen Axel annahm, dass es Kasper Vang und Jesper Groes waren, stießen sich gegenseitig an, freundschaftlich, wie es schien, oder tanzten sie? Ihre Helme lagen neben ihnen auf dem Boden. Jetzt begann der eine, seinen Schutzanzug auszuziehen. Was zum Henker ging da vor?
»Hallo, jetzt kriegen wir sogar einen Strip zu sehen«, bemerkte Dorte Neergaard kichernd.
Einen Augenblick lang glaubte Axel, sie habe tatsächlich recht, aber dann gab der Beamte, der den Schutzanzug ausgezogen hatte, dem anderen einen Klaps auf die Schulter, ging zum Tor, kletterte hinauf, sah nach beiden Seiten, sprang auf die Nørrebrogade und ging in Richtung Innenstadt davon. Der andere verschwand zwischen einem Grab und einem Baum. Beinahe gleichzeitig registrierte Axel auf dem Fußweg ein Stück weiter in Richtung Friedhofsmitte eine Bewegung. Sie spulten zurück und zoomten näher heran. Es schien ein Mann zu sein, der unter den Ästen der Bäume immer nur kurz zu sehen war.
Um 00.55 Uhr schwenkte der Helikopter wieder zurück zur Kreuzung. Axel konnte die beiden Polizisten nicht entdecken. Sie erweiterten den Bildausschnitt und sahen, dass auf der Straße an mehreren Stellen Brände gelegt wurden, jedoch dreihundert bis vierhundert Meter vom Tatort entfernt. Der Friedhof lag still und dunkel da.
Um 1.33 Uhr war in der Nähe des Tatorts eine Bewegung auszumachen. Der Helikopter hing jetzt über dem Jugendzentrum und der Winkel bewirkte, dass die Bäume den größten Teil des Blickfeldes versperrten, aber Axel konnte dennoch deutlich zwei Männer erkennen, die unter den Bäumen an der Mauer entlanggingen. Fünf, sechs Schritte, dann verschwanden sie hinter einem Baumstamm.
»Halt an, zoom näher ran«, sagte er.
Sie kamen aus Richtung Jugendzentrum an der Kapelle vorbei und hielten Kurs auf die Mauer, wo die Leiche gefunden worden war, der eine hatte den Arm um die Schulter des anderen gelegt – sieben, acht Schritte zählte er diesmal, dann waren sie weg. Eine Minute später schien es so, als falle dort, wo sie verschwunden waren, ein Schatten der Straßenbeleuchtung auf die Erde, oder war es der Rücken eines Mannes? Axel bat Dorte, die Szene noch einmal abzuspielen. Jetzt wusste er es. Es war ein Blitzlicht. Der Täter hatte das Ergebnis seiner Tat fotografiert. Das Modpress-Bild! Dann trat einer der Männer wieder auf den Weg und ging in Richtung Friedhofsmitte. Er war in der Dunkelheit nicht genau zu erkennen, tauchte nur verzerrt auf dem Bildschirm auf, aber vielleicht konnten die Techniker an den Bildern etwas machen. Sie sahen die Sequenz noch zweimal durch, aber Axel wurde daraus nicht klüger.
Zweiundzwanzig Minuten später kletterte der eine Polizist wieder über das Holztor, und ein paar Minuten danach lehnten die beiden Männer wieder an einem Grabstein und rauchten.
Es war surrealistisch.
»Das ist echt ’ne tolle Story«, sagte Dorte Neergaard.
Axel hatte sie völlig vergessen, aber jetzt beanspruchte sie seine volle Aufmerksamkeit.
»Ja, vielleicht.«
»Deine Kollegen sind ja wohl totale Schnarchnasen. Ich weiß nicht, wo sie hin sind, und ob sie etwas mit dem Mord zu tunhaben, aber ein Mann wird ermordet, während sie Wache schieben sollten, und sie kriegen absolut nichts mit, weil sie ihre Arbeit nicht tun. Das ist wirklich eine verdammt gute Story.«
Sie nahm den Laptop und machte Anstalten aufzustehen.
»Und diese Story werde ich schreiben, und zwar jetzt.«
Axel hielt sie am Arm fest.
»Darüber müssen wir erst mal sprechen. Wann willst du die Story bringen? Und was genau willst du bringen?«
Aus Dorte Neergaards Augen war die anfängliche Begierde gewichen. Stattdessen stand
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