Kommissar Steen 01 - Unruhe
Bilder, die ihn und Vang rauchend zeigten, kurz bevor sich Vang aus dem Schutzanzug schälte, über die Mauer kletterte und verschwand.
Axel konnte Groes’ Unbehagen förmlich riechen. Es strömte ihm aus jeder Pore, dennoch versuchte er zu retten, was zu retten war.
»Er wollte Wasser holen.«
»Und wo? In Frederikssund, oder was? Er war erst zwei Stunden später wieder zurück.«
Groes wurde blass.
»Ich habe meinen Posten nicht verlassen.«
»Okay, aber du hast nichts gesehen. Du hast nicht gesehen, wie der Mörder mit seinem Opfer zur Mauer spaziert ist, obwohl sie genau in deinem Blickfeld waren. Weniger als fünfzig Meter entfernt, freie Sicht.«
Er war fertig, Axel konnte es sehen.
»Nein. Ich bin eingeschlafen. Es tut mir wirklich leid.«
»Was war mit deinem Partner? Was hat er gemacht?«
»Er …« Groes zögerte und glich einem Jungen, der plötzlich erkennt, dass niemand kommen und ihm helfen wird. »Er hatte etwas zu erledigen. Er wollte nicht sagen, was. Er wollte jemanden besuchen.«
Mehr bekam Axel nicht aus ihm heraus, aber er war auch so zufrieden. Wie alle, die sich etwas hatten zuschulden kommen lassen, von der Dienstpflichtverletzung über Ladendiebstahl bis hin zur Beihilfe zum Mord, war der junge Beamte am meisten besorgt darüber, welche Konsequenzen sein Fehlverhalten für ihn selbst nach sich ziehen würde.
»Was passiert jetzt mit mir? Werde ich gefeuert?«
»Das weiß ich nicht. Und es ist mir auch scheißegal. Aber wir sind noch nicht fertig. Du wartest draußen, während ich mit deinem Kollegen spreche.«
Axel war bester Laune, als er den nächsten hereinbat.
Ganz im Gegensatz zu Kasper Vang.
»Ist das hier ein Verhör, oder was? Falls ja, will ich einen Anwalt. Nicht zu fassen, dass ihr nichts Besseres zu tun habt, als die eigenen Kollegen zu beschuldigen, wo doch die ganze Stadt voll ist von Autonomen und anderen Kriminellen«, giftete er.
»Sind alle Autonomen Kriminelle?«, fragte Axel nach etwa einer Minute trocken. Er hatte Vang unauffällig studiert, während er Papiere geordnet, seinen Laptop aufgeklappt, umständlich die CD - ROM mit dem Film eingelegt und so getan hatte, als dauere es ein paar Augenblicke, bis sie startklar sei. Vang machte den Eindruck eines abgehärteten Streifenpolizisten,dessen zweites Zuhause die Straße war, oder vielleicht wollte er gerade diesen Anschein vermitteln. Bartstoppeln, die blaue Hinterlassenschaft eines Kugelschreibers am linken Ohr, sonnengebräunt, Muskelpakete, offensichtlich entstanden mithilfe anaboler Steroide, nordische Motive auf die Arme tätowiert, ein kerniger Typ, der nur mit knapper Not die Mindestgröße für die Aufnahme an der Polizeischule geschafft haben konnte.
»Du weißt schon, was ich meine. Überall gibt’s Krawalle, und ihr macht uns das Leben schwer, weil wir einen Mord nicht gesehen haben. Wir sind nur das Fußvolk. Wir sind nicht dazu da, Morde aufzuklären, das ist euer Job.«
»Bist du eigentlich von hier?«, fragte Axel, als habe er nicht gehört, was der andere gerade gesagt hatte.
»Wie bitte?«
»Woher kommst du?«
»Amager«, antwortete er.
»Wenn du sagst, es sei nicht eure Aufgabe, Morde aufzuklären, dann stimmt das natürlich nur teilweise.«
Axel wusste, dass Vang platt wie ein Reifen ohne Luft sein würde, wenn er mit ihm fertig war. Es juckte ihn in den Fingern, eine große Show daraus zu machen, aber er hatte noch anderes zu erledigen.
»Was meinst du damit?«
»Es ist Aufgabe eines jeden Polizisten, Verbrechen aufzuklären und zu verhindern, dass sie begangen werden, oder etwa nicht?«
Vang wollte antworten, aber Axel erhöhte Lautstärke und Tempo.
»Aber es ist schwer, etwas aufzuklären oder zu verhindern, wenn man seinen Posten verlässt, meinst du nicht?«
»Ich weiß nicht, wovon du redest. Ich habe meinen Posten nicht verlassen.«
Axel stand auf.
»Was glaubst du, wozu Helikopter im Einsatz sind? Aus Jux und Tollerei? Oder vielleicht, weil sie alles filmen, damit wir Beweismaterial gegen die Leute haben, die Sachbeschädigungen begehen oder Widerstand gegen die Staatsgewalt leisten?«
Vang schwieg.
»Ich kann beweisen, dass du den Friedhof kurz vor zwölf verlassen hast und erst zwei Stunden später zurückgekommen bist.«
Axel drehte den Bilschirm um.
»Es ist ja wohl nicht verboten, etwas zu trinken zu holen.«
»Doch, das will ich meinen, dass es verboten ist. Auf jeden Fall ist es eine Dienstpflichtverletzung – nicht sehr schwerwiegend, nein, aber
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