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"Kommst du Freitag"

"Kommst du Freitag"

Titel: "Kommst du Freitag" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorit Kowitz
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Plus-Minus-Rechnung machen können. Und das Plus muss überwiegen, immer.“ Oh mein Gott! Der Mann war ansonsten echt fesch, frech und freigeistig. Aber Plus-Minus? Was war denn das für ein Scheiß? Das fand ich entsetzlich. Zu unserem beider Glück habe ich in den ersten zwei Jahren nicht nachgerechnet. Es wäre angesichts der Anzahl unserer Streitereien nicht gut ausgegangen für unsere Bilanz.
    Später aber wurde Plus-Minus unsere Glücksformel. Wir haben nicht Buch geführt. Wir sind einfach, neigte sich die Minusseite gefühlt gefährlich gen fünfzig Prozent, in uns gegangen, sind weggefahren, haben geredet und einander Gutes getan. Wir verwandelten Minus ins Plus, wir formten aus irrationalen Variablen rationale Konstanten. Wir ließen einander nicht im Ungewissen: Als ich mit fast dreißig einen ziemlich tollen Job in Hamburg hätte haben können, entschied ich mich dagegen, Paul hätte es unterstützt, aber er gab zu: mit schwerem Herzen. Noch mal so weit weg, Berlin aufgeben. Als ich ein halbes Jahr später doch nach Hamburg musste, hielt er mir die Steigbügel. Als klar wurde, er kann seine Geschäfte nicht nach Berlin verlegen, stellten wir uns darauf ein. Wir sprachen es irgendwann klar für einander aus: Sollten wir eines Tages eine Familie gründen, werden wir einfallsreich sein und Abstriche machen müssen, undzwar große. Wir sagten uns das schon, als wir noch gar keinen Bock auf Kinder hatten.
    Sowieso, das mit dem Kind. Wann wird das akut? Bei den einen mit 27, bei anderen mit 37. Wir sehnten uns nicht nach Babys, und wir lehnten sie nicht ab. Hätte ich kein Kind haben wollen, hätte Paul es akzeptiert. Hätte ich mich danach verzehrt, hätten wir welche gemacht. Wir taten aber nie so, als würde sich das alles einfach so ergeben, nach dem Motto, wenn es kommt, dann kommt es. Das mag vielleicht in einer Studentenliebe mit Anfang zwanzig funktionieren. Aber in einer logistisch komplexen, auf die berufliche und seelische Erfüllung hin ausgerichteten Fernliebe ergibt sich nichts einfach so. Manchmal nicht mal der Kinderwunsch. Da muss man beschließen.
    Als Milla schwanger wurde, trennte sie sich von Carsten, bevor er es tat.
    Als Helene vom Londoner einen Heiratsantrag bekam, erschrak sie aus unerfindlichen Gründen und floh für eine Weile nach New York.
    Silke, Christiane und Nadja wohnten mit ihren Freunden wieder zusammen und bekamen Kinder.
    Ich habe schon wieder einiges vorweggenommen und ein paar Sachen ausgelassen, die man nicht auslassen kann. Zum Beispiel das Ding mit dem Fremdgehen.

Und, wie ist das nun mit der Versuchung?
    Als Milla Paul endlich kennenlernte, gingen wir zusammen in Berlin auf eine Party. Sie mussten sich später am Abend über mich unterhalten haben. Denn Paul erzählte mir am nächsten Morgen: „Milla hat übrigens etwas Nettes über dich gesagt. Du würdest es nicht mal bemerken, wenn andere Männer dich angucken. Du würdest durch die Weltgeschichte laufen, als hättest du Scheuklappen auf.“
    „Scheuklappen?“
    „Scheuklappen, das waren ihre Worte.“
    Ich war erstaunt, damals, im Jahr drei unserer Liebe auf Reise. Wen oder was meinte Milla denn? Ich hatte gar keine Idee, wo mich ein fremder Mann gescannt haben könnte. „Eben“, sagt Paul und grinste.
    Heute, wenn ich zusammen mit meinen Freundinnen nach dem Yoga (ja, tut mir leid, auch bloß: Yoga!) in der Bar sitze, glauben sie mir das ja nicht. Treue wird generell angezweifelt, anhaltende Treue erst recht, besonders, wenn man die vierzig im Blick hat. Aber zu 98 Prozent der Zeit trug ich diese imaginären Scheuklappen mit mir herum. Ich hatte sie sogar dann auf, wenn es schlauer gewesen wäre, sie abzusetzen.
    Ich war immer stolz darauf gewesen, mir keine Stelle, keinen Auftrag, kein einziges Praktikum darüber organisiert zu haben, indem ich jemandem schöne Augen machte oder sonst in irgendeiner Form weibliche Vorzüge oder Angebote ausstellte; den besten Job bekam ich sowieso durch die Fürsprache einer Frau. Ich hatte, für die wirklich wichtigen Gespräche mit den wichtigen Männern (es waren am Ende derHierarchie immer Männer), sogar meine einigermaßen zuverlässige Schlagfertigkeit herunter gedimmt und mir ein allzu fröhliches Lachen untersagt. Bloß keine Blöße geben, keinen Verdacht erregen. Geht nämlich auch so!
    Es geht aber anders besser. Manchmal hätte ein Lächeln oder ein sanftes Wort von mir die Dinge schneller in die von mir gewünschte Richtung befördert. Denn es gibt

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