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"Kommst du Freitag"

"Kommst du Freitag"

Titel: "Kommst du Freitag" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorit Kowitz
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gemeinsame Freunde wussten es auch noch.
    Lukas und Jana hatten sich an ihrem ersten Tag in München kennengelernt, mit 19. Sie kamen beide aus Thüringen und studierten Jura. Jana war sehr schön, laut und üppig, und Lukas war sehr groß, klug und voll leiser Ironie. Das war auch ein wenig ihre Rollenverteilung, the Beauty and the Brain. Lukas wurde ein ehrgeiziger Anwalt und fing in einer internationalen Kanzlei in Berlin an, so lernte ich ihn während einer Recherche kennen. Jana vergeigte das zweite Staatsexamen so oft, bis sie sich nur noch als einfache Juristin bei einer Versicherung einstellen lassen konnte, in München. Sie pendelten. Sie sahen sich, so oft es Paare zwischen München und Berlin eben hinkriegen. Manchmal fuhr er allein ein paar Tage nach New York für Vertragsverhandlungen eines großen Klienten, und manchmal fuhr sie ohne ihn, aber mit einer Freundin eine Woche Ski in St. Anton.
    Die Freundin war, wie sich später herausstellte, leider ein Freund. Der Ski-Freund wusste nichts von Lukas in Berlin. In München kannten Janas neue Kollegen Lukas gar nicht. Sie dachten der Ski-Mann, ein Finanzmakler, sei Janas Verlobter.
    Aber Janas beste Freundin wusste genau, wer wer war. Und Lukas’ bester München-Freund wusste das auch. Sie sahen, was Jana trieb, ein Doppelspiel, seit Jahren. Der Finanzmakler war nicht der erste. Aber sie sagten Lukas nichts. Sietrauten sich nicht, oder was auch immer. Sie gaben Jana sogar Alibis, obwohl sie sonst keine schlechten Menschen waren.
    Warum machen Freunde das? Weil sie feige sind? Weil sie hoffen, ebenso gnädig behandelt zu werden, kämen sie in eine vergleichbare Lage? Diese Art von Großzügigkeit ist wie eine Splitterbombe. Hinterher sind alle schwerverletzt.
    Kurz vor seinem 31. Geburtstag wachte Lukas in der Nacht auf und hörte Jana im Nebenzimmer telefonieren. Aufgeregt, flüsternd, beschwichtigend, weinend. Es war fast zwei Uhr. Als er fragte, wer das gewesen sei, versuchte sie es erst mit Ausreden. Schnell nicht mehr. Sie sagte die Wahrheit. Ihm wurde schlecht.
    Zwei Monate zuvor hatte er ihr einen Heiratsantrag gemacht, nach elf Jahren. Dabei hatte sie geweint. Er dachte, vor Glück. Zwei Monate nach der Nacht sagte er zu mir: „Mir tut es vor allem um die schöne Zeit leid, die ich verloren habe. Zwei, drei Jahre eher, das wäre gut gewesen.“
    Jana war er los, seine alten Freunde legte er ab.
    Dagegen waren meine Nicht- und Halb-Flirts natürlich Kindergarten. Nachdem ich Milla von meiner Verwirrung mit dem Fotografen erzählt hatte, lachte sie nur spöttisch und sagte: „Das ist aber eine niedliche Geschichte. Eine Kollegin von mir weiß schon nicht mehr, welches Hotel sie mit ihrem Lover noch nehmen soll, damit ihre Affäre nicht auffliegt. Und du kriegst rote Bäckchen von ’nem Wangenkuss. Och Gottchen, nee!“
    Sie arbeitete gerade an einem Drehbuch über einen modernen „Reigen“ und sammelte jede Anregung. Sie drückte mir den neuen Philip-Roth-Roman in die Hand und empfahl mir, die Rabitt-Reihe von John Updike noch einmal quer zu lesen, damit ich mich erinnerte, was die wirklichen Abgründe unserer sich neigenden Jugend, unseres mittleren Lebensstandards und unserer mittleren gutbürgerlichen Sorgensind. Sie sagte: „Wir kommen jetzt in das Alter von Updikes Figuren, du weißt schon, Seitensprünge und Frauentausch.“ Ich sagte: „Nee, weiß ich nicht. Aber ich weiß, dass unsere Männer Gott sei Dank noch nicht so alt, impotent und notgeil sind, wie die bei Roth.“ Sie grinste.
    Alle denken bei Betrug an Fremdsex. Aber dass Betrug beim Geschlechtsverkehr anfängt, ist eine Erfindung der Kirche und eine ihrer besten. Denn sie lässt dem Flirt Raum. Der Schauspieler Bud Spencer hat gesagt: „Wenn sich etwas Körperliches abspielt, ist das nur der letzte Schritt in einem längst ablaufenden geistigen und emotionalen Prozess – Treue ist ohnehin eine Illusion.“
    Da Liebe auch eine Illusion ist, muss man die Lebensweisheit des Schauspielers gar nicht als globalen Freibrief für Promiskuität missverstehen. Man kann sie lieber als guten Rat nehmen: Für mich bestand das Geschick darin, jedweden „längst ablaufenden geistigen und emotionalen Prozess“ zu steuern und ihn, falls es Not tat, zu stoppen, was selten vorkam. Aber es gab Gelegenheiten, die selbst ich nicht verkennen konnte. Oder nicht verkennen mochte.
    Wenn du unter einem herrlichen, sternenklaren Nachthimmel in Berlin-Mitte sitzt und mit einem attraktiven, klugen und

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