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Kommt ein Mann ins Zimmer (German Edition)

Kommt ein Mann ins Zimmer (German Edition)

Titel: Kommt ein Mann ins Zimmer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Krauss
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noch nichts geschehen war.
    Und du? Welches Sternzeichen? Er hielt ihre Hand, ihre kalten Finger zwischen seinen und bewegte sanft den Daumen auf und ab. Es hätte ihm nichts ausgemacht, nie wieder mit irgendjemanden auf der Welt zu sprechen, solange sie nur da war und Andromeda, Polarstern flüsterte.
    Löwe.
    Er schob sich langsam näher heran, bis sie sich seitlich berührten, Arm an Arm, Bein an nacktem Bein. Sam?, flüsterte sie. Glaubst du … So war sie, Jollie Lambird, in die er seit dem zweiten Schuljahr verliebt gewesen war, und er wollte ihr jede Frage beantworten, die sie ihm stellen würde. Aber er konnte den Rest nicht hören, denn in diesem Moment küsste er sie, ein Kuss, der Stunden gedauert haben mochte, während die Lichter auf den Veranden blinkten und ausgingen; während sogar Sterne am Himmel aufblitzten oder verschwanden, Sterne, die noch keine Namen hatten, mittels derer man sie sich hätte merken können. Das war in der letzten Sommerwoche vor dem siebten Schuljahr gewesen, und danach begleitete er sie an die Haustür. Er küsste sie erneut, schüchtern und sanft, jetzt noch erregter in dem Wissen, einen kleinen Anspruch auf ihre Zärtlichkeit zu haben. Er rannte den Rest des Weges nach Hause, in langen Sätzen über Spielzeug springend, das in den Hinterhöfen lag, über Rosensträucher und Gartenstühle hinweg, rannte klopfenden Herzens durch die ganze dunkle Nachbarschaft, jeder Schritt ein Freudensprung, und das war wirklich das Allerletzte, woran er sich erinnerte: wie er durch die Dunkelheit rannte, ehe die Welt unvermittelt stillstand und er in der leeren Stille nur noch seinen Pulsschlag hörte.

D onald kehrte am nächsten Tag um die Mittagszeit zurück. Es gab nur eine Zufahrt nach Clearwater, eine unbefestigte, lange, von Pappeln gesäumte Straße, und Samson sah die Staubspur, die das Taxi aufwirbelte, ehe es ruckelnd vor dem Badehaus hielt. Er wartete draußen an der Tür und beobachtete, wie Donald sich aus dem Auto kämpfte, mit aufgeknöpftem Hemd seine Geldbörse herauszog.
    Er schlurfte wortlos an Samson vorbei und plumpste vornüber aufs Bett.
    «Na?»
    «Wer bin ich?», sagte er ins Kopfkissen.
    «Wie war Vegas?»
    «Ich war nicht da.»
    «Du warst nicht in Vegas?»
    «Ich sag dir doch, ich war nicht da.»
    «Wo warst du dann die ganze Nacht?»
    Er drehte sich um und grinste. «Wüsstest du wohl gerne?»
    «Ja.»
    «Eine Minute, Sammy, bitte? Ich schwelge noch.»
     
    Er hatte eine Freundin besucht, Lucky. So wurde sie jedenfalls genannt; zuerst hieß sie auf der Bühne so, und dann war es ihr Name. Eigentlich wollte er nach Vegas, aber auf einmal fuhr das Taxi genau an Luckys Tür vorbei; er hatte nicht geahnt, dass es so nahe war. Sie war beglückt gewesen, ihn zu sehen, weil in letzter Zeit nur noch Fernfahrer und Militärs bei ihr aufgetaucht waren.
    «Also dann, habt ihr auf alte Zeiten angestoßen?»
    «Ich glaub, so könnte man das nennen.»
    «Was meinst du, du glaubst?»
    «Was glaubst du denn, was ich meine? Auf – die – guten – alten – Zeiten», sagte Donald, indem er zur Betonung stoßartig das Becken vorschob.
    «Donald?»
    «Jaa?»
    «Warst du bei einer Hure?»
    «Nein, Sammy. Ich war bei Lucky, dem menschlichen Staubsauger.» Er hievte sich aus dem Bett. «Klar war ich bei ’ner Hure.»
    Ein kurzes Schweigen, dann fingen beide an zu lachen, Samson, der sich auf dem Bett kugelte, Donald hustend und würgend, vornüber gebeugt, als risse es ihm die Lunge aus dem Leib. Sie beruhigten sich, dann gab Donald ein paar trockene, kratzende Keucher von sich, und das Ganze ging von vorne los.
    Als Samson sich endlich gefangen hatte, sagte er: «Dieser Husten klingt ja schlimm.»
    «Hab mir ’n Krebs gefangen. Nichts zum Aufregen.»
    «Wirklich? Mein Gott, wie viele Päckchen hast du denn am Tag geraucht?»
    Donald blickte zu ihm auf und musste wieder husten. Schließlich straffte er sich, Tränen in den Augen und ein komisches Grinsen auf dem Gesicht.
    «Du glaubst es kaum, ich hab nie geraucht, mein Leben lang, keinen Tag.»
    «Lügner.»
    «Im Ernst. Mein Alter hat geraucht. Aber ich? Was soll ich denn mit braunem Zahnbelag und Nikotingestank?» Es stimmte: Donald war ein bemerkenswert hygienebewusster Mann, jeden Morgen und jeden Abend eine halbe Stunde mit seiner Toilette, Zähneputzen, Polieren, Schrubben und Spucken beschäftigt.
    «Die ganze Zeit, als ich beim Militär gewesen bin, da war nix mit Paffen.»
    «Ich wusste nicht, dass du beim Militär

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