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Kommt ein Mann ins Zimmer (German Edition)

Kommt ein Mann ins Zimmer (German Edition)

Titel: Kommt ein Mann ins Zimmer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Krauss
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Clearwater gelungen war: der Gedächtnistransfer (GT), jenes komplexe, schon jetzt als Abkürzung in die Umgangssprache eingegangene Verfahren, dem die Mitarbeiter Jahre ihres Lebens gewidmet hatten. Samson stellte sich vor, wie Ray bei einer Pressekonferenz, eine improvisierte Kulisse mit dem blau-weißen Clearwater-Logo im Rücken, Fragen beantworten würde, unbefangen vor den Kameras, mit den Journalisten plaudernd wie ein Präsidentschaftskandidat, ein Sprecher für die Zukunft, die in der Sonne schimmernde Uhr am Handgelenk, Alter unbestimmt.
    Die Presse würde da sein, um die Öffentlichkeit bei der Hand zu nehmen, ihr die Neuigkeiten portionsweise präsentieren, ihr helfen, sich an den Gedanken zu gewöhnen, ihn in die Routine des Alltags zu integrieren, das Kaffeekochen, Sachen aus der Reinigung abholen, die Kinder in die Schule schicken. In der ersten Woche könnten die Leute zu jeder beliebigen Tageszeit den Fernseher anstellen, und es würde da sein wie ein fremdsprachliches Intensivprogramm. In den folgenden Wochen würden die Medien sie weiterhin zur Genüge mit Sonderberichten und Expertenrunden bedienen, aber jeden Tag weniger enthusiastisch. Ganz langsam würde das Publikum von den stundenlangen Sondersendungen entwöhnt und die ganze Sache so abgedroschen erscheinen wie eine Herztransplantation, selbst wenn es noch Jahre dauern würde, bis die Technologie billig und reif genug wäre, um sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Vielleicht bekäme Ray den Nobelpreis. In Hollywood würde schon der Film gedreht, das letzte Mittel, den Konsumrausch zu vollenden. Die Journalisten würden dann längst ihre Sachen gepackt, die Wüste verlassen und nur Müll zurückgelassen haben, leere Dosen, Plastikgabeln, Filmkanister und zerknüllte Servietten, die am Wüstengras hingen und im Wind wehten.
     
    Von einem Telefon in einem der Büros rief er noch einmal bei Anna an, und diesmal meldete sie sich. Ihr Freund, der Amateurornithologe, der, wie sich herausstellte, auch Architekt war, hatte sie zur öffentlichen Probe einer Tanzaufführung mitgenommen, und sie erzählte Samson, wie der Choreograph im Scheinwerferlicht gestanden und über einen Kopfhörer mit Mikrophon von der Inspiration seiner Arbeit gesprochen hatte, während die Tänzerinnen und Tänzer Lockerungsübungen machten, sich aus den Hüften hängen ließen oder auf der Bühne herumlagen und ihre Oberschenkelmuskulatur mit Karateschlägen aufwärmten. Es war spät, das Büro verlassen und still, bis auf das Summen des Kopierers. Er wollte sie am Apparat halten, und als ihm nichts mehr einfiel, was er fragen konnte – nach dem Wetter, ob sie gut schlafe und wie es Frank gehe –, sagte er ihr, er vermisse sie. Er wunderte sich über seine eigenen Worte, die herausgekommen waren, ohne dass er sie zuvor im Kopf gebildet hatte, Worte, die aus seinem Innersten nach oben drängten, aus dem Bauch gepresst, wo er das nagende Verlangen empfand, ihre Haut zu spüren, den Hauch ihres Atems, die ganze Länge ihres Körpers an seinem. Sie schwieg am anderen Ende, das große, weite, fallende Stecknadeln hörbar machende Schweigen, das in dieser Vollendung nur bei Glasfaserübertragung möglich ist, und er fürchtete, sie finge an zu weinen. Doch als sie schließlich sprach, war ihre Stimme klar und fest. Sie sagte, das sei schön zu hören, aber sie wisse nicht, ob jetzt der richtige Moment sei, über so etwas zu reden.
    «Und du, vermisst du mich?», beharrte er, indem er Linien und Pfeile auf einen gelben Abreißblock neben dem Telefon zeichnete.
    «Samson», bat sie mit gehauchter, schließlich versagender Stimme.
    «Ich möchte es nur wissen. Wenn nicht, ist es in Ordnung. Ich habe Verständnis.»
    «Bitte Samson. Genügt es vielleicht zu sagen, dass ich manchmal immer noch weinend aufwache?»
    Sofort fühlte er sich gemein und dumm, sie gedrängt zu haben.
    «Tut mir Leid.»
    «Egal. Passiert ist passiert, und jetzt geht das Leben weiter.»
    «Manchmal glaube ich …», sagte er, brachte es aber nicht zu Ende, denn eigentlich war ihm nach etwas ganz anderem zumute: Er wollte das Licht ausschalten, dieses fluoreszierende Deckenlicht, das kein kontinuierliches, zuverlässiges Licht war, sondern, wie sein Großonkel Max ihm einmal erklärt hatte, aus Tausenden von Pulsen pro Sekunde bestand, eine Art Flackerlicht, das ihn jeden Bruchteil einer Sekunde in Dunkelheit tauchte. Er wollte es abschalten und ein für allemal im Dunkeln sitzen, die hohle Hand

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