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Kommt ein Mann ins Zimmer (German Edition)

Kommt ein Mann ins Zimmer (German Edition)

Titel: Kommt ein Mann ins Zimmer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Krauss
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und den Mars nicht zu infizieren.
    «Scheiß-Mars», machte Donald sich plötzlich von hinten bemerkbar. «Willste Wasser, geh nach Vegas. Da gibt’s Wasser, so viel haste dein Lebtag nicht gesehen. Wasser in jeglicher Gestalt, Kaskaden, Pools, Brunnen, alles, was du willst, fließend oder tröpfelnd. Wasser, das von Treibhauspflanzen regnet, Morgentau auf Plastikgrotten. ’n ganzer gottverdammter Ozean vor dem Treasure Island, ’ne Wasserschau wie ’n Stinkefinger für die Wüste.» Donald blieb stehen und hielt ehrfurchtsvoll den Finger in alle Himmelsrichtungen, als wäre das eine Art Indianerritual.
    «Die Israeliten, du glaubst es nicht», sagte er, jedes Mal, wenn Samson sich nach ihm umdrehte, über ein Gestrüpp stolpernd und humpelnd wie ein Depp, eine seiner Angewohnheiten – wie unters Hemd zu langen, um sich die Brust zu reiben –, wenn er mit den Nerven fertig war. «Vierzig Tage und vierzig Nächte in der Wüste. Was würdest du sagen, Sammy, wenn wir in der Wüste verloren gingen und als Propheten wieder rauskämen? Ich meine, was hat Jesus eigentlich gemacht, außer ein paar Monate in der Wüste kampiert? Ohne die richtige Ausrüstung damals, ohne Zelte und was weiß ich für Klamotten war das wohl das eigentliche Wunder.» Er hielt inne, um Atem zu schöpfen. «Bist du gläubig, Sammy? Ich bin Halbjude, bei dieser Sache mit Jesus bin ich hin und her gerissen.»
    «Oje, das kann ich nicht sagen. Meine Mutter war Jüdin und mein Vater wer weiß was. Zu Chanukka bekam ich jedenfalls Geschenke.»
    «Na dann, zusammen ergeben wir ’n ganzen Juden. Und deinen Paps haste nie gesehen?»
    «Nein.»
    «Geht mich ja nix an, aber das muss hart gewesen sein. Als Kind und so.»
    «Es war in Ordnung.»
    Ein paar Minuten gingen sie schweigend weiter, nur das trockene Kratzen von Blackbrush, Beifuß und Kreosot unter den Füßen, widerspenstige Pflanzen, die medizinischen Zwecken dienen mochten, Pflanzen, deren Harz wohlriechende Spuren auf ihren Fingern hinterließ. Gelegentlich kam hektisches Rascheln aus dem Gestrüpp, flitzende Eidechsen und anderes Getier, das Deckung suchte, während die Aasfresser reglos am Himmel standen.
    «Hey.»
    Als Samson sich umdrehte, sah er Donald, der sein Hemd ausgezogen hatte und es in den Bund seiner Shorts stopfte. Unter der Haardecke war die Haut bleich.
    «Du solltest das Hemd anziehen. Du verbrennst.»
    «Ich hab nachgedacht», sagte Donald ungerührt. «Ich will ja nicht auf die Tränendrüsen drücken oder so, vor allem nicht in unserer gegenwärtigen Lage, wo es drauf ankommt positiv zu denken und so weiter. Aber ich hab mir gedacht, falls ich’s nicht schaffe, bis mein Grundbesitz sich auszahlt, sollte jemand da sein, der ’n Anspruch auf den Reibach hat. Also, was hältst du davon, wenn ich dich adoptiere, Sammy? Kein Vater-Sohn-Scheiß, nur fürs Juristische.»
    «Wow, ich fühle mich geschmeichelt, Donald. Aber gibt es nicht sonst jemand, der eher …»
    «Sei still und komm zu Papa», sagte er, breitete die Arme aus und schloss die Augen.
    Ein bis zwei Stunden vergingen, und schließlich verdichtete sich das Licht, unter Sachen krochen Schatten hervor und wurden länger, streckten sich aus, als wollten sie den Tag nicht gehen lassen. Samson dröhnte der Kopf, und wenn er zu schlucken versuchte, blieb die Zunge am Gaumen kleben. Die Hitze verwirrte ihn, und das Bewusstsein, er habe Donald vielleicht kilometerweit in die falsche Richtung laufen lassen, versetzte ihn in Panik. Die Sicht war gnadenlos, jeder zackige Hügel so karg wie der nächste und zu steil, um hinaufzuklettern und einen Überblick zu gewinnen. Donald rang um Atem, sein Gesicht war purpurrot. Samson überlegte, ob er ihn zurücklassen und versuchen sollte, sich allein durchzuschlagen, um eine Rettungsmannschaft zu holen. Aber der Gedanke, Donald würde ganz allein, mit sich selbst redend, langsam dehydrieren, während die Bussarde in unmittelbarer Nähe reglos am Himmel standen, war ihm unerträglich. Er stellte sich vor, wie sie gemeinsam starben, Seite an Seite, nicht ohne sich der Ironie bewusst zu sein, dass er im Mai letzten Jahres unweit von hier gefunden worden war, als hätte er eine Vision empfangen und ginge seinem Tod entgegen.
    «Sammy, ich fühl mich nicht wohl.»
    Wenn sie denn sterben mussten, dann bitte einen schönen Tod. In einer Springflut, die nicht zu ihrer Rettung käme, sondern um sie fortzutragen, ihre Körper aufzuheben und durch die Canyons hinauszuspülen. Sonst

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