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Kommt ein Mann ins Zimmer (German Edition)

Kommt ein Mann ins Zimmer (German Edition)

Titel: Kommt ein Mann ins Zimmer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Krauss
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möglicherweise Wasser gab, verborgene Reserven flüssigen Wassers unter der gefrorenen Oberfläche. Donald belebte sich und begann, von einem Eigentumsprogramm auf dem Mars zu schwärmen, etwas, was er im Internet gesehen hatte, ein Tipp von einer Nichte oder einem Neffen, eine Firma, die Flurstücke verkaufte. Martian Consulate hieß sie, mit dem einzigen rechtsgültigen Marsgrundbuch der Welt, unglaubliche $   29.95 pro Quadratmeile plus $   3.25 Versand- und Bearbeitungsgebühren. Donald setzte sich auf einen Felsen und trat Staub vom Boden los.
    «Gute Investition. Nicht für uns, aber für unsere Kinder.»
    «Hast du Kinder?»
    «Ich mein ja nur symbolisch», sagte Donald. «Jesus Maria, hab ich einen Brand. Was täte ich für ein Glas Wasser, und reif fürs Abendessen bin ich auch. Nimm mich mit, Kapitän.»
    Samson schirmte seine Augen gegen die Sonne ab; er trug eine billige Fliegersonnenbrille aus dem Drogerieladen in Hillcrest, aber das Licht war dennoch grell, ebnete gleichmäßig blendend alles ein und trübte die Farben der Landschaft. Sogar die zackigen Felsen erschienen platt und teilnahmslos, Felsen, die einmal unter dem Meer gewesen waren, aber aus denen sich jetzt kein Tropfen Wasser quetschen ließ. Er drehte sich im Kreis, versuchte herauszufinden, aus welcher Richtung sie gekommen waren. Sie waren einem Pfad gefolgt, aber der hatte irgendwo aufgehört, und sie waren weitergegangen, hatten sich die Knöchel am Gestrüpp zerkratzt. Donald zog die Beine hoch, setzte sich im Indianersitz auf den Felsen. Er hielt die Hände in die Luft, presste Daumen und Zeigefinger zusammen und schloss die Augen.
    «Gleich passiert’s, ich mache eine außerkörperliche Erfahrung. Eins, zwei, drei, om, raus aus meinem Körper und seelisch in einen Liegestuhl am Pool versetzt. Trinke ’n Grapefruitsaft mit Schuss.»
    Er keuchte leise, sein Gesicht war feucht und rot. Samson begann sich zu fragen, ob es eine gute Idee gewesen war, ihn hier heraus mitzunehmen. Er hätte bedenken sollen, dass Donald in schlechter Verfassung war. Obendrein hatte er selbst vor lauter Reden vergessen, den Weg mit Steinen und Pfeilen zu markieren. Aber Donald hatte unbedingt mitgehen wollen, Klapperschlangen gucken, wie er sagte, weil er sich nach einem Monat in der Wüste nirgendwo mehr blicken lassen könne, wenn er nicht wenigstens einmal einer Giftschlange begegnet sei.
    «Hat nicht geklappt», verkündete Donald. «Ich bin immer noch hier. Auf, nehmen wir die Abkürzung zurück zu dem Gebäudekomplex. Der Niederlassung. Dem Clearwater-Kurbad», sagte er, jede Silbe überdeutlich aussprechend, als machte er eine Tonbandaufnahme für Englisch als Zweitsprache.
    «Warte. Ich versuche gerade ausfindig zu …»
    Donald warf ihm einen Blick zu. «Erzähl’s mir erst gar nicht.»
    Samson drehte sich im Kreis, und je mehr er sich drehte, umso mehr verschmolz die Landschaft zu einer einzigen hingefegten Weite. Er hielt inne und sah zum Himmel auf, den Stand der Sonne prüfend. Es war vielleicht vier Uhr nachmittags, die Hitze noch drückend, mit mindestens drei Stunden bis zum Sonnenuntergang, dem Augenblick, da die Bevölkerung von Hillcrest zu einem kreischenden Stillstand kommen würde, die Hände auf den Herzen, die für Amerika schlugen, für ein gut bestücktes Waffenarsenal.
    «Ich muss leider zugeben …»
    «Ich hab Herzklopfen.»
    «Immer mit der Ruhe. So weit können wir nicht entfernt sein.»
    Sie gingen im Gänsemarsch, Samson voran und Donald keuchend hinterher. Er war sich nicht ganz sicher, wohin er ging, aber er wollte Donald nicht mehr aufregen als nötig. Er dachte wehmütig an Frank, der in regelmäßigen Abständen an den Weg gepinkelt und sie in null Komma nichts zurückgebracht hätte.
    Samson redete in munterem Ton drauflos, erzählte Donald alles, was er über den Mars wusste, bemüht, ihn mit der Aussicht auf außerplanetarischen Grundbesitz von Durst und Muskelschmerzen abzulenken. Er erzählte vom Polar Lander, der weich auf dem Mars aufsetzen und ein paar Wochen über die Oberfläche kriechen, Wasserdampf aufspüren und marsianische Urlaute senden sollte. Wie die Geschichte mit seinem Absturz und spurlosen Verschwinden endete, ein Softwarefehler der NASA, wo alle tagelang weinten, vor allem der Programmmanager, der das Fahrzeug in- und auswendig kannte, es wie sein eigenes empfand, nachdem er ein ganzes Jahr mit Papierstiefeln, Gesichtsmaske und Handschuhen darum herumgelaufen war, um es keimfrei zu halten

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