Kommt Schnee
und die Nase hoch aufgereckt. Sie sah für Klein-Andi aus wie ein Riese, der seine Nase in die Wolken schieben kann. Und Andi, das Kind, tat es ihr gleich und roch diese Schneeluft, wie sie feucht und trocken zugleich kühlt und wärmt.
Baumer schaute auf die Straße. Der Schnee taute bereits. Die Straßenreiniger würden heute nicht mehr ausrücken müssen.
Andi bekam Lust auf einen Kaffee. »Ah. L’amour toujours«, hörte er plötzlich die Stimme von Gianni in seinem Kopf und er sah Maja, die kleine große Maja, die neben ihm im ilcaffè stand. Maja. Die Liebe seines Lebens, die aus Paris zu Besuch war und die glühte vor Glück, wenn Andi sie umarmte und fest drückte, sodass sie den Vater spürte, den sie nie hatte. Maja. Die ihn bat, noch stärker zu drücken, und er sich nicht getraute, weil er sie so sehr liebte und ihr nicht wehtun wollte, aber sie drücken musste, weil sie umso glücklicher war, je mehr er sie drückte.
Das Handy brummte. Andi erschrak und wachte aus seinem Tagtraum auf. Er streckte sich und nahm ab, weil es Heinzmann war.
»Wo bist du?«, hörte er Heinzmann am anderen Ende der Leitung fragen.
»Vor dem Schweizerhof.«
»Zwei Minuten?«
»Okay.«
Es knackte. Baumer wartete. Die Erinnerung an Maja und das ilcaffè war entschwunden und Baumer nahm nur noch die Masse an Leuten wahr, die vom Bahnhof kamen, zum Bahnhof gingen. Er selbst wandte sich zur Heumattstraße, denn nur von dort konnte Heinzmann kommen. Und schon nach wenigen Minuten sah er Heinzmann auf sich zufahren. Er hielt neben ihm an, Baumer ging hinten ums Auto und stieg ein.
»Sali.« Heinzmann streckte Andi Baumer die Hand hin.
»Sali«, antwortete auch Baumer mit diesem typisch baslerischen Gruß, der vom französischen »Salut« entlehnt war. Baumer schüttelte kurz Heinzmanns Hand. Ließ sie los.
»Wo willst du hin?«
»Bring mich ins ilcaffè.«
Heinzmann sagte nichts. Kein Laut. Er wendete und fuhr los.
»Und?«, fragte Heinzmann schließlich.
»Ich weiß nicht, Stefan. Ich war bei Gomez. Scheint alles klar zu sein. Nur ...?« Baumer hielt seinen Kopf schräg und schob das Kinn nach vorn. »Nur sind es ein bisschen viele Vielleichts?«
»Wie meinst du das?«
»Verdammt. Ich weiß es auch nicht.« Baumer schlug mit der Faust an die Tür.
»Bell mich nicht an, Andi. Und lass den Karren ganz.«
Baumer schaute genervt aus dem Seitenfenster. Dann drehte er sich zu Heinzmann, ohne sich zu entschuldigen. Das musste er nicht. Andi musste das bei Stefan nie. »Verdammt. Verdammt noch mal«, fluchte er und hielt seine Faust zitternd neben sein Gesicht. »Da ist was faul. Nur was? Und wo beginnen?«
»Ich sag dir, wo«, meinte Stefan trocken.
»Wo?«
»Bei der Verbindung der Leutchen untereinander. Was hatte Gomez mit Toni zu tun? Warum knallt er ihn ab?«
Auch Baumer war klar, dass es darum ging, eine Verbindung zwischen den Leuten herzustellen. Dann würden die Taten dieser Personen einen Sinn ergeben. Ein Motiv würde erkennbar werden. Doch wozu sich in dieser Angelegenheit bemühen? Gomez hatte eine Geisel aus den Händen eines Amokläufers gerettet. Das war das offensichtlichste Motiv überhaupt, und Windler und die Presse hatten das gefressen. Selbst wenn Baumer jetzt noch irgendeine Verbindung zwischen Gomez und Toni finden würde, dem Portugiesen würde daraus kein Schaden entstehen. Er könnte sich immer auf die nachvollziehbare und bereits von oben abgesegnete Begründung berufen, in Notwehr eine Geisel befreit haben zu müssen.
Zu müssen? Genau das hatte Gomez nicht. Baumer war sich sicher, dass Gomez nicht in Notwehr gehandelt und ein anderes Motiv dafür hatte, Toni mit Blei vollzupumpen.
»Ich beginne mit Toni. Toni ist mein Mann«, sagte Baumer schließlich.
»Warum nicht mit dem Erschlagenen?«
»Boban Stankovic? Der kann warten. Ich halte es nicht für unmöglich, dass der Mann wirklich nur zufällig von Toni in zwei Teile geschnitten wurde.«
»Eigentlich waren es gar keine zwei Teile. Der war nur ein bisschen angeschnitten.« Beide brachen in lautes Gelächter aus. Sie sahen sich an, wollten das Lachen unterdrücken und prusteten gleich nochmals los. Andi schlug sich mit beiden Händen auf die mächtigen Oberschenkel. Heinzmann schlug auf das Steuerrad. Zwei junge Rekruten im alten Peugeot vor Avignon im Pfingststau.
»Aiaiai«, schob Heinzmann seine Mütze aus der Stirne und versuchte, ein weiteres Lachen zu unterdrücken. Es gelang ihm ebenso wenig wie Baumer.
»Samurai-Toni ist
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