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Kommt Schnee

Kommt Schnee

Titel: Kommt Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Aeschbacher
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schaute kaum um sich. Er stand da. Schwieg.
    »Wir möchten Sie nur kurz sprechen«, sagte Heinzmann zu Wild und bemühte sich, unaufdringlich in den Raum zu blicken.
    »Ja. Kein Problem. Ich verstehe das. Mirko war mein Geschäftspartner. Ich verstehe.« Dabei ging sein Blick hin und her. Er spielte unablässig mit seinem Kugelschreiber. Offenbar ein Tick. Wild konnte ihn in seiner Hand der Länge nach wenden, ohne ihn zwischen Zeige- und Mittelfinger rotieren zu müssen.
    »Nahm Herr Stamm Drogen?«, feuerte Heinzmann den ersten Schuss ab.
    »Ähh ... nun ja.« Wild klackte mehrmals mit dem Kugelschreiber. »Wer tut das nicht in unserer Szene?«
    »Was nahm er?« Zweiter Schuss.
    »Ich ... ähh. Keine Ahnung!«, wurde Wild laut. Seine Begleiterin schwieg.
    »Woher bekam er das Zeugs?«, ballerte Heinzmann gnadenlos weiter, wie damals, als er als Grenadier in der Rekrutenschule in Losone mit seiner Maschinenpistole eine Mannscheibe mit Dauerfeuer aus der Hüfte zerfetzt hatte.
    »Was weiß ich über Drogen. Ich habe keine Ahnung«, sagte der Grafiker genervt und wich dem Blick von Heinzmann aus. Sein Kugelschreiber machte klack, klack, klack.
    »Und Sie?«, schoss Heinzmann auf die Frau.
    »Ich ... Ich weiß es nicht. Wirklich. Wir haben nie gefragt. Wollten es gar nicht wissen.«
    Dann sprach Baumer. Leise. Aber es hatte eine Wirkung, als wenn eine Artilleriegranate mitten in eine fröhliche Tanzgesellschaft eingeschlagen hätte. Er fragte: »Starb er hier?«
    Diese Bombe traf die Kommunikationskonzepter völlig unvorbereitet inmitten ihrer spärlichen Designereinrichtung. Sie standen wie unter Schock. Selbst Heinzmann machte große Augen, als er mitten in seinem Infanterieangriff von dieser gewaltigen Artillerieunterstützung überrascht wurde.
    »Ob er hier starb?«, fragte der Grafiker schließlich kleinlaut. Vor Angst vergaß er mit dem Kugelschreiber zu klacken. Man hörte, wie die Frau die Luft scharf einzog.
    »Ja. Hat er hier zuviel geschnupft?«, schlug die zweite schwere Granate von Baumer ein. Auch sie explodierte berstend.
    Der Frau verschlug es den Atem. Wild wiederum stand da wie ein Schuljunge, der von einer Lehrerin beim Onanieren im Abstellraum entdeckt wird. Dann nickte er. Langsam. Oder senkte er nur den Kopf? Die Frau hingegen schüttelte den Kopf. Doch es war kein Zeichen für ein Nein. Es war mehr ein Zeichen des Erstaunens über sich selbst, eine Geste des Mitleids für den Eigengebrauch.
    »Ich will Ihnen nichts Böses«, sprach Baumer zum Parkettboden vor seinen langen Füßen. Seine Stimme tönte jetzt wie das verebbende Donnergrollen eines weit entfernten Blitzschlags. »Es ist uns bewusst, dass Drogen schon fast ein Grundnahrungsmittel in Ihrer Branche sind. Wir können das verstehen.«
    Die Frau fasste sich ein wenig. Wild begann wieder mit dem Kugelschreiber zu spielen. Er musste Nervosität abbauen.
    »Ich will Ihnen wirklich nichts Böses«, sagte Baumer scheinbar empathisch. Um seine Worte zu unterstützen, hielt er seinen Kopf schräg. Die zwei Grafiker waren ihm allerdings egal. Wenn er Anteilnahme heucheln musste, um an sein Ziel zu kommen, dann würde er es tun. Er wusste, dass er kein Extraschlauer war. Diese kleinen psychologischen Spielchen konnte aber auch er spielen, wenn es sein musste. Er versuchte zu lächeln, sagte milde: »Ich denke, Ihr Partner hat einen Schluck zu viel Stoff erwischt. Hier. Bei Ihnen.« Dabei hob Baumer den Blick nicht, sondern redete weiter nur mit dem Quadratmeter Holz, dessen Schicksal es war, von teuren Designerschuhen abgewetzt zu werden.
    Die beiden Grafiker schwiegen, aber man konnte förmlich hören, wie sie nachdachten, um eine Lösung zu finden. Dazu kamen sie aber nicht, denn Heinzmann fuhr den Mann im Anzug ohne Krawatte grob an. »Nun sag schon, Mann! Was war hier los?« Dabei richtete er sich auf und ging aggressiv auf Wild los, grad so wie eine Bärenmutter einen Angreifer stellt, der ihrem Wurf zu nahe kommt.
    Wild zuckte zusammen, hob die Arme abwehrend, noch bevor ihn Heinzmann rütteln konnte, und sagte rasch: »Stamm hat eine Linie gezogen. Hier im Büro. Er machte das immer, wenn er Stress hatte. Und in den letzten Tagen hatten wir viel Stress. Wir mussten einen Pitch gewinnen.«
    »Einen Pitch?«, fragte Heinzmann, der Wild umkreiste wie eine hungrige Katze, die mit einer verletzten Maus spielt.
    »Ja. Einen Pitch. Das ist ein Wettbewerb, eine Präsentation beim Kunden.« Seine Augen gingen auf. »Mann. Acht Jahre krampfen und

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