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Kommt Schnee

Kommt Schnee

Titel: Kommt Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Aeschbacher
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oft bei der Polizei.«
    »Windler ist intelligent.«
    »Ja. Sicher. Aber diese Art von Intelligenz meinte ich nicht.«
    »Reden wir nun über Intelligenz oder über die Toten, Professor? Ich dachte, Sie wollen noch ein paar Publikationen lesen«, sagte Baumer ungeschickt.
    Regazzoni war denn auch sofort eingeschnappt. »Dass Sie immer gleich so zickig sein müssen. Ich mache Ihnen ein Kompliment, und Sie blaffen mich an.« Er griff sich ans Revers und richtete sein Jackett.
    Baumer sagte nichts.
    »Also. Hhm. Ich sehe, Sie sind nicht sehr gesprächig heute. Nun, das sind Sie ja nie.« Damit war es zur Abwechslung Regazzoni, der nichts weiter sagte. Erst nach einer Weile beugte er sich wieder über den Tisch zu Baumer hin.
    »Was wollen Sie wissen?«
    »War Toni süchtig?«
    »War das der Erschlagene oder der Erschossene?«
    »Der Erschossene. War er süchtig?«
    »Ja.«
    Baumer notierte diese Information in seinem Gehirn. Dieses Ja bestätigte die Vermutung, die die Zeitungen und Windler aufgestellt hatten. Toni war also süchtig. Sein Amok hätte also durchaus eine spontane Auswirkung seiner Sucht sein können. Vielleicht war Stankovic doch nur zufälliges Opfer von Toni Herzog, der einen »Affen« hatte und unter Entzugserscheinungen durchdrehte? Vielleicht hatten er und Heinzmann nur Gespenster gesehen. Gab es doch keine Verbindung zwischen Toni und Stankovic?
    »War Stankovic süchtig?« fragte Baumer, um genau das herauszufinden.
    »Stankovic? Der Krüppel? Also pardon, der Erschlagene?«
    »Ja, der Erschlagene. War er drogensüchtig?«
    »Nein.«

    Ende.

    Ende der Durchsage. Ende des Falls. Ende einer möglichen Verbindung zwischen Stankovic und seinem selbsternannten Henker. Stankovic war nicht süchtig. Eine Drogensucht konnte daher unmöglich das verbindende Element zwischen den beiden sein. Nicht süchtig. Das tönte fast gleich wie »nicht schuldig«.
    Der Doktor sah einen enttäuschten Baumer vor sich stehen. »Sie sehen nicht gerade glücklich aus«, sagte er. »Scheint mir fast, als fänden Sie es schade, dass Stankovic nicht drogensüchtig war.«
    »Ich weiß nicht. Die Sucht hätte vielleicht einen Link zwischen ihm und Toni hergestellt«, sagte Baumer und informierte den Mediziner über seinen Verdacht, die ganze Bistrogeschichte könne kein Zufall sein. Der Gerichtsmediziner erkannte es als Vertrauensbeweis an und nickte Baumer zu.
    Baumer wusste, dass Regazzoni und Windler das Heu nicht auf derselben Bühne hatten und der »Professor« gut stillhalten konnte. Der Gerichtsmediziner würde zu allerletzt Windler erzählen, was Baumer ihm anvertraut hatte.
    Regazzoni war aus dem Tessin nach Basel gekommen. Für einen dieser »echten« Basler war Regazzoni deshalb ein halber Italiener. Selbst seine Abkömmlinge würden es wahrscheinlich bis in die vierte Generation hinein bleiben. Für einen Professorentitel an der Basler Uni waren das miese Voraussetzungen.
    Regazzoni sah Baumer an, dass der enttäuscht darüber war, dass Stankovic nicht drogenabhängig war. Er versuchte, den Kommissar aufzumuntern. »Sie haben Pech, Baumer. Dieser Stankovic ist anscheinend die große Ausnahme. Als junger, dynamischer Manager hätte er durchaus Drogen nehmen können. Die sind bei einigen dieser Typen ja schon fast Grundnahrungsmittel. Kein Wunder, kann man während der Uhren- und Schmuckmesse im Rhein ohne Probleme erhöhte Mengen von Kokain nachweisen? Wussten Sie das?«
    »Ja, das wusste ich.«
    »Das macht man mit der HPLC-Methode, die … Aber lassen wir das. Ich will Sie nicht mit Details langweilen.«
    Baumer stand schwerfällig auf. Fährte 1, Gomez, war abgebrochen, weil der Portugiese schon entwischt war. Fährte 2, die Verbindung Herzog-Stankovic war kalt. So kalt wie der Winter in Basel. Baumer reichte dem »Professor« die Hand. »Danke.«
    »Danke wofür? Dass Sie mich vom Lesen abgehalten haben?«
    »Für das Kompliment.«
    »Danke auch für Ihr Vertrauen.«
    Auch Baumer wollte seine Schroffheit, die er dem Gerichtsmediziner gegenüber zuerst gezeigt hatte, vergessen machen. Im Gehen versuchte Baumer deshalb einige Sätze Small Talk. Versuchte für einmal, eine Spur Interesse auch für den Alltag und die Problemchen eines Mitmenschen zu zeigen. »Müssen Sie heute noch lange arbeiten?«, fragte Baumer.
    Ein völlig unverfänglicher Satz. Regazzoni hätte antworten können: »Ja«. Vielleicht hätte er auch sagen können: »Ja, ein Weilchen muss ich noch bleiben.« Dann wäre Baumer draußen gewesen.

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