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Kommt Schnee

Kommt Schnee

Titel: Kommt Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Aeschbacher
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gerade diese spezielle Architektur der Häuser, die nahtlos an die Gleise gebaut waren, ermöglichte Baumer das unbemerkte Entwischen. Denn jeweils zwei Häuser dieser Zeile waren im Keller miteinander verbunden. Das war von der Feuerpolizei vor langer Zeit so eingerichtet worden, um Bewohnern eine Flucht zu ermöglichen, falls eine Feuersbrunst den Vorderausgang blockiert hätte. Diesen unterirdischen Gang nutzte Baumer nun, um ins Nachbarhaus zu gelangen, ein Geschäftshaus mit einem Nebeneingang. Baumer schlich dort die Kellertreppe hoch.
    Jetzt kam der schwierigste Teil. Er musste durchs Entree, ohne dass er von draußen Aufmerksamkeit erregte und innen von einem Bewohner gesehen wurde. Baumer schaute daher übervorsichtig in den Eingangsbereich. Dieser lag im Dunkeln. Er wartete. Wenn das Licht anginge, wäre es aus.
    Draußen war bereits deutlich geringerer Verkehr, als noch zur Rushhour herrschte. Nur vereinzelte Autos fuhren durch die Straße. Plötzlich hörte Baumer das schwere Dröhnen eines großen Busses, das langsam näher kam. Dann zog der Bus behäbig vorbei, ein Reisecar, der Touristen an den Bahnhof führte. Baumer nutzte diesen Moment und schlüpfte rasch aus seinem Versteck am Kelleraufgang, schlich sich geschmeidig wie eine Katze durch den Raum und blieb hinter einem großen Ficusstrauch stehen. Der Raum war noch immer in Dunkelheit getaucht.
    Baumer war sich sicher, dass sein unerwünschter Schatten, der irgendwo draußen Wache hielt, ihn nicht gesehen haben konnte. Dessen Blick war sicherlich auf seine Wohnung gerichtet. Auch würde ihn das Licht der Autos und der Straßenlampen blenden. Es war ganz einfach unmöglich für seinen Bewacher, von der Straße her irgendjemanden in diesem obskuren Entree zu erkennen.

    So war es auch.

    Der Kommissar, hinter seinem Ficus für Blicke unsichtbar wie eine Schlange im Urwald von Brasilien, entdeckte Grollimund auf der anderen Straßenseite, etwa 40 Meter entfernt. Er stand abgewandt zu Baumer, spienzelte um die Ecke und schaute hin zur Wohnung im 2. Stock. Das Entree des Geschäftshauses, wo Baumer sich versteckte, interessierte Grollimund kein bisschen. Jetzt bewegte sich der junge Zivile zurück, entspannte sich. Baumer sah, wie sich sein Wächter von ihm wegdrehte und ihm den Rücken zukehrte.
    Grollimund begann mit den Füßen zu stampfen und hüpfte von einem Bein auf das andere. Er stieß wattige Nebelwolken in die Luft, während er beide Hände rieb und mehrmals die Arme um seinen Körper schlug, um warm zu werden. Dann drehte Grollimund sich wieder um, blickte in die Hochstraße. Gegenüber lag der Eingang eines Geschäftshauses. Er war derzeit hell erleuchtet. Grollimund sah, wie sich die Eingangstür hinter einem Geschäftsmann langsam wieder schloss, der nun zum Lift trat und einen Knopf drückte. Offenbar wurde in diesem Haus noch länger gearbeitet.
    Der junge Zivilpolizist blickte wieder zu Baumers Wohnung. Der Schein des Fernsehers blitzte manchmal auf. Grollimund schaute auf die Uhr. Es war 18 Uhr 15. Dann lief immer RTL Explosiv. Das schaute er so gern, während seine Frau das Essen vorbereitete, falls sie nicht wieder vergessen hatte einzukaufen. RTL Explosiv war eine seiner Lieblingssendungen. Das waren echte Nachrichten. Da gab es immer viel Polizeizeugs. Und Autoverfolgungsjagden. Die hatte er besonders gern, aber noch mehr liebte er bewaffnete Banküberfälle. Hui! Bewaffneter Banküberfall im Bottrup! Das wäre was. Bei so einer Aktion wäre er endlich auch gern mal dabei. Zu dumm nur, dass er die Geiselnahme auf der Passerelle verpasst hatte. Drei Jahre schon bei den Polypen und immer noch keine richtige Geiselnahme erlebt. Seine Kumpel, die dabei gewesen waren, schauten seither auf ihn herab und begegneten ihm, als wäre er eine faule Gurke. Nun hatte er eine Chance, in der Hierarchie wieder Boden gut zu machen. Diese Chance würde er sich nicht entgehen lassen.
    Grollimund drückte sich an die Häuserwand und brachte sich in Stellung. Mit seinem Daumen und Zeigefinger ahmte er eine Pistole nach. Er lugte um die Ecke und zielte über seinen Zeigefinger auf einen imaginierten Geiselnehmer. Grollimund fühlte sich groß und stark.
    Baumer hingegen hatte Grollimunds Unachtsamkeit, als der sich warm gehoppelt hatte, genutzt und war aus dem Entrée geschlüpft. Beinahe wäre er mit einem Geschäftsmann zusammengestoßen. Überrascht hatte er »Pardon« gesagt und hätte ihm aus Höflichkeit beinahe noch die Haustür aufgehalten. Aber

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