Kommt Schnee
dass Baumer zugleich mit den Rockern in diesem Migros-Restaurant gewesen sei. Es liege ja auch sehr nah an seiner Wohnung in der Hochstraße. Dort sei er jetzt auch eingetroffen. Wahrscheinlich habe er es aufgegeben, weiter Staub aufzuwirbeln.
So würde Rötheli an seinen Vorgesetzten, Windler, den Chef der Basler Kriminalpolizei, berichten. Und genau so trug es sich zu. Rötheli berichtete telefonisch und Windler hörte aufmerksam zu. Als Rötheli schloss, lobte Windler seinen Wachhund. »Gut beobachtet, Rötheli. Bravo. Ich sehe, ich habe richtig entschieden, als ich Sie zum Chef der Zivilen machte. Es steckt noch viel Potential in Ihnen.«
Bei diesen Worten richtete sich Rötheli unweigerlich auf und nahm sogar Haltung an.
Windler fuhr fort: »Bleiben Sie dran. Ich will wissen, ob dieses Arschloch noch mal bei Stankovic aufkreuzt oder Trouble bei der Pogimex macht.«
»Verstanden«, beeilte sich Rötheli, den Befehl zu quittieren. Der Chef der Zivilen nickte auch noch, als ob Windler das hätte sehen können. Er legte vergnügt auf. Zu seinem eigenen Unterhund, der neben ihm stand, sagte er: »Bleib mir ja dran. Ich will sofort Bericht, wenn Baumer das Haus verlässt. Das hier ist extrem wichtig.« Dann versuchte er, Windler nachzumachen, und sagte zu seinem Untergebenen: »Wenn du deinen Job gut machst, dann liegt vielleicht eine Beförderung für dich drin.« Er machte aus seiner Hand eine Pistole, schob den Zeigefinger auf die Brust des Untergebenen und lächelte schief. Mit dem Daumen drückte er ab, während er blinzelte und zugleich mit der Zunge schnalzte.
Die Augen von Röthelis Unterhund – Grollimund hieß er – leuchteten auf. Eine Beförderung würde heißen, nie mehr nur sieben Tage Super Last Minute auf Mallorca. Bald würde er sich zwei Wochen Ferien leisten können, und erst noch an einem Ort, der seinem Status würdig war. Nie mehr mit den verfetteten Proleten um einen Liegestuhl am verchlorten Pool vom Zweisternehotel kämpfen müssen. Bald hieße es für ihn 14 Tage Malediven. All-inclusive! Heute würde er deshalb so gut aufpassen wie nie zuvor. Keine Maus würde seinen Adleraugen entgehen.
Sein Blick blieb starr auf Baumers Wohnung gerichtet. Jetzt waren die Fenster wieder geschlossen. Man sah in allen Zimmern Licht. Von hinten schlug ihm Rötheli aufmunternd, unterstützend, anspornend, Besitz ergreifend und hart auf die Schultern. Grollimund fühlte sich wie der wichtigste Mann auf der ganzen Welt.
11
Als es bereits dunkel war, stand der Gefreite Grollimund weiterhin in der Bruderholzstraße und beobachtete Baumer von der Ecke zur Hochstraße aus. Das heißt, er beobachtete nur das, was er als Auswirkungen von Baumers häuslichem Treiben wahrnehmen konnte. Daraus schloss er auf die Anwesenheit Baumers. Ab und an war in einem Zimmer das Licht aus-, dann wieder angegangen. Momentan sah er hinter einem Fenster gedämpftes Licht. Da war wahrscheinlich das Wohnzimmer von Baumer. Der Fernseher war eingeschaltet, er überstrahlte bei hellen Fernsehbildern die weiche gelbliche Beleuchtung mit kühlem bläulichem Licht. Bei raschen Bildwechseln blitzte der fahle Schein in Baumers Zimmer, als ob es im Raum gewittern würde. Grollimund dachte: »Der sitzt jetzt gemütlich vor dem Fernseher. Legt die Füße hoch, dieses Arschloch, und ich muss hier frieren.«
Zu genau dieser Zeit, als Grollimund über den Kommissar lästerte, verschwand dieser aus seiner Wohnung und machte sich auf den Weg zu seinen Freunden. Den Fernsehapparat hatte er laufen gelassen. Den Stecker der Stehlampe im Wohnzimmer hatte er in die Buchse einer Zeitschaltuhr gesteckt, die in unregelmäßigen Abständen das grelle Licht der Lampe ein- und ausschalten würde, um Leben in der Wohnung vorzutäuschen.
Um das Wohnhaus sicher verlassen zu können, musste Baumer noch ein schwieriges Problem lösen. Er musste unerkannt an seinem Schatten vorbeikommen. Baumer war sich sicher, dass vor dem Haus einer stand. Hinten raus war ebenfalls riskant. Es war zwar unwahrscheinlich, dass die Hinterseite überwacht wurde, denn die Häuser dockten direkt an das hinterste Gleis – ein Kommunikationsgleis – des Bahnhofs an. Jedoch hätte er Schienen überqueren müssen, und das wäre gefährlich gewesen, weil Bahnangestellte oder auch Wartende auf den Perrons wahrscheinlich ein Riesengeschrei losgelassen hätten, wenn sie einen Mann in Zivilkleidung über Gleise hätten springen sehen. Das hätte seine Bewacher alarmieren können. Doch
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