Kommt Schnee
gedehnt.
»Du schläfst?«
»Ja. Im Spiegelhof. In deinem Büro. Danke für die Matratze.«
Baumer fragte sich, welche Matratze sein Freund wohl meinte. Im Büro hatte er doch überhaupt keine. Endlich begriff Baumer, dass Heinzmann ihn foppte. Dann sagte er, den Spruch von Heinzmann ignorierend: »Hör zu. Wir treffen uns heute Abend um sieben bei Ali.«
»Bei Ali. Um sieben. Verstanden.« Heinzmann gähnte und fügte dann hinzu: »Gibt’s was Wichtiges?«
»Erfährst du alles heute Abend. Bis dahin kannst du schlafen. Brauchst du einen Wecker?«
Als Heinzmann verneinte, verabschiedete Baumer sich und legte auf. Dann rief er Danner an. Der musste Baumers Nummer offenbar gespeichert haben, denn er sprach den Kommissar sofort direkt mit dessen Namen an. »Baumi. Nett, dass du mich anrufst. Was läuft?«
»Hast du ein Auto? … Ja? Gut. Dann triff mich mit deiner Kiste im Parking unter dem Bahnhof SBB. Punkt halb sieben.«
»Warum sollte ich das? Danner ist ja nur ein Zürcher Böögg, den kann man ja ...«
Baumer unterbrach Danner schroff. »Ich habe News für dich.«
»Okay, ich komme. Halb sieben. Richtig?«
»Halb sieben. Parkhaus Bahnhof SBB. Aber nur unter einer Bedingung, Danner. Nur du kommst und sonst niemand. Und du sagst keiner Sau irgendetwas davon.«
»Halb sieben. Parkhaus SBB«, bejahte Danner und wollte sich verabschieden, doch Baumer insistierte.
»Hör zu, Danner, mein Freund. Um halb sieben. Aber nur, wenn du meine Bedingung akzeptierst. Sonst nix Parkhaus. Nix News.«
»Ich bin mit deiner Bedingung einverstanden, Baumer.«
»Sag, dass du keiner Sau etwas verraten wirst.«
»Ich werde keiner Sau etwas verraten.«
»Okay, bis später«, beendete Baumer das Gespräch.
»Bis dann«, verabschiedete sich Danner schwungvoll, und es klickte in der Leitung.
Baumer telefonierte weiter, während er in Richtung seiner Wohnung ging. Das nächste Gespräch war ebenso kurz und knapp gehalten, wie das zuvor. Die Person, die er erreichen wollte, musste von ihrer Arbeit weg ans Telefon geholt werden. Sie war über die Unterbrechung ihrer wichtigen Tätigkeit ein wenig ungehalten und ließ Baumer das auch wissen. Der ließ die spitzen Bemerkungen über sich ergehen und sagte, was er sagen musste. Dann war auch dieses Gespräch beendet.
Mittlerweile war er zu Hause angekommen. Während des ganzen Weges hatte ihn ein seltsames Gefühl sacht umschlungen gehalten. Jetzt packte es ihn kräftig in der Magengegend. Baumer fühlte sich beobachtet.
Um ein Haar hätte der Kommissar sich umgedreht und die Straße abgesucht, ob ihn jemand im Visier hatte, aber er konnte diesen Drang gerade noch unterdrücken. Baumer passierte den Eingang an seinem Wohnhaus, leerte den Briefkasten, ging hinauf in die Wohnung. Er sah dabei ganz unbekümmert aus. Oben in der Wohnung angekommen, öffnete er die Fenster und ließ frische Luft herein. Er schaute nicht auf die Straße, sondern blickte in den wolkendichten Himmel, der aussah, wie die bewegte Nordsee bei Nacht. Es roch nach Schnee.
Baumer dachte unweigerlich an seine Großmutter, wie sie sich erst zu ihm hinuntergebeugt, ihm ins Ohr geflüstert hatte. Er sah sie sich dann wieder aufrichten. Sie reckte die Nase in den Himmel. »Schmeckst du das, Andi? Schmeck einmal!« Und er hatte sich aufgerichtet wie sie. Hatte die Luft tief eingezogen, damals in Zeglingen, als der Wind den Schnee ankündigte. Auch jetzt richtete sich Andi Baumer auf, sog die Luft tief ein und spielte den Unwissenden für den Mann, der ihn von der Straße her beobachtete.
Rötheli.
Andreas Baumer hatte ihn nicht gesehen, aber er hatte ihn gespürt. Es musste Rötheli sein. Konnte nur Rötheli sein. Der Chef der Zivilen und Wachhund von Windler. Eben würde er seinem Chef berichten, dass Baumer zu Hause sei. Ruhe sich wahrscheinlich aus. Windler würde Rötheli fragen, ob Baumer weiter rumgeschnüffelt habe. Er würde bei dieser Frage sicherlich den Ausdruck »dieses Arschloch von Baumer« benutzen. Rötheli würde melden, was er gesehen hatte, seitdem er den Auftrag gefasst hatte, Baumer zu beschatten. Er würde berichten, dass er Baumer, wie zu erwarten war, heute morgen im ilcaffè gefunden habe. Dass sich Baumer aber weder mit irgendjemandem aus dem Umfeld von Stankovic getroffen habe, noch habe er Kontakt mit der Rockergang aufgenommen. Über Mittag sei er auf einen Kaffee ins Migros-Restaurant gegangen. Kontakt zu der Gang habe es aber keinen gegeben. Es sei wahrscheinlich Zufall gewesen,
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