kommt wie gerufen
mit den Worten: »Ich bin zu Ihrer Party erschienen und habe als Beitrag eine Flasche Wodka mitgebracht.«
Atemlos fragte Mrs. Pollifax: »Haben Sie ein Messer, um die Flasche zu öffnen?«
»Ein Messer? Nein, einen Korkenzieher«, sagte der General mißbilligend.
»Vassovic, öffnen Sie den Wodka.«
»Wird sofort geschehen, General!« brüllte Major Vassovic.
General Hoong zog seine Pistole und feuerte sechs Schuß in die Zimmerdecke. »Jetzt kann die Party beginnen«, verkündete er, nahm neben Mrs. Pollifax Platz und erklärte: »Ich liebe es, wenn es bei einer Party laut zugeht.«
»Ja, das verleiht ihr erst den festlichen Anstrich«, gab sie zu, ohne den Blick von der Pistole zu reißen, die auf seinen Knien lag. »Was für eine interessante Waffe, General«, bemerkte sie.
»Da sie leergeschossen ist, dürfen Sie sie begutachten«, antwortete er herablassend. »Es ist eine japanische Pistole, Marke Nambu.«
»Was für ein Zufall«, murmelte Mrs. Pollifax und hielt die Waffe bewundernd ans Licht. Nachdem sie sich daran sattgesehen hatte, legte sie die Pistole vorsichtig auf die Platte des zwischen ihnen stehenden Schreibtisches.
»Wodka gefällig?« schlug General Hoong vor.
»Ach, ja, ein Schlückchen«, sagte sie, und während er sich vornüberneigte, fegte sie die Nambu mit einer einzigen Handbewegung in ihre Handtasche.
»Jetzt singe ich das nächste Lied!« schrie Lulasch, langte nach der Zither, die auf Nexdhets Knien lag, zupfte auf gut Glück an den Saiten und begann lauthals zu singen.
»Achmet Bey, der Schöne! Oh! Oh! Achmet Bey!
Achmet, der Sohn des Bergadlers…«
Mrs. Pollifax sah dem zutiefst bestürzten Major Vassovic sofort an, daß es sich um ein umstürzlerisches Lied handelte. Sie rückte dichter an General Hoong heran und sagte: »Ich finde es ganz reizend von Ihnen, daß Sie an unserer kleinen Feier teilnehmen.«
Seine leeren Augen sahen sie an. »Ein General ist immer allein«, sagte er.
»Aber General Perdido wird bald zurückkommen, und dann können Sie gemeinsam allein sein.«
Er rümpfte die Nase. »Perdido ist ein Barbar.«
Mrs. Pollifax dachte nach und nickte. »Ja, das stimmt.«
General Hoong seufzte. »Ich bin nicht glücklich.«
»Das tut mir wirklich leid«, sagte Mrs. Pollifax aufrichtig. »Ich kann Sie natürlich nur zu gut verstehen. Sie führen hier oben ein sehr isoliertes Leben. Haben Sie irgendwelche Hobbys?«
»Ich habe eine Freundin.«
Mrs. Pollifax schluckte diese ungeschminkte Erklärung hinunter und nickte etwas mühsam. »Ja, damit läßt sich die Zeit natürlich schon vertreiben.«
»Und ich schreibe Gedichte.«
»Nein, was Sie nicht sagen. Ich würde gern eines davon lesen.«
»Meine jüngste Schöpfung habe ich noch im Gedächtnis. Ich will das Gedicht für Sie rezitieren.«
»Ja, bitte«, sagte Mrs. Pollifax und wünschte das Ende von Lulaschs endlosem Lied herbei.
General Hoong schloß die Augen und begann mit sonorer Stimme:
Bleicher Mond, von weißen Wolken zerrissen.
Spindel des reinsten Lichtes.
Verzückt. Zeitlos.
Ohne Herz, dem Kummer fremd.
Ich blicke auf und wünsche
meine Seele hätte kein Herz und wäre ohne Kummer.
»Das ist ja bezaubernd«, sagte Mrs. Pollifax.
»Ja«, antwortete er ernst.
»Ich hatte ja keine Ahnung, daß Sie so empfindsam sind, General Hoong, und daß Sie so entsetzlich leiden. Sie machen den Eindruck, völlig über Ihrem Beruf zu stehen.«
»Ich leide«, verkündete er energisch.
»Dann müssen Sie sich einen anderen Beruf suchen«, drängte sie mitfühlend. »Bestimmt sind Sie für eine Tätigkeit geeignet, wo sie keine Menschen erschießen oder schlagen oder zu Tode foltern müssen.«
»Beruf?« sagte er stirnrunzelnd. »Beruf?« Er seufzte und trank sein Glas leer. »An meinem Beruf ist nichts auszusetzen. Meine Freundin ist es, die mich derart leiden macht.« Er versank in Schweigen und starrte finster ins Leere.
Lulasch war endlich bei seiner letzten Strophe angelangt.
»Jetzt sind Sie an der Reihe, uns ein Lied aus Ihrem Land zu singen«, sagte er zu Mrs. Pollifax.
Major Vassovic rülpste diskret. »Pr-Prachtidee.« Er erhob sein Glas.
Oberst Nexdhet grinste spöttisch. »Nun, Mrs. Pollifax?«
Mrs. Pollifax ließ sich nicht einschüchtern, erhob sich und verneigte sich vor General Hoong. »Gestatten Sie?«
Der riß sich mühsam aus seinen düsteren Gedanken. »Wie? O ja, ich liebe es, wenn es bei einer Party laut zugeht.«
»Auf die Vereinigten Staaten von Amerika!«
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