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kommt wie gerufen

kommt wie gerufen

Titel: kommt wie gerufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Gilman
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einen Krückstock verwandelten Weihnachtsbaum zu fliehen versuche n.
    Das war doch alles aberwitzig, aberwitzig und sinnlos.
    Der Schwächeanfall ging vorbei. Mrs. Pollifax fand ihre Selbstbeherrschung wieder und stellte erleichtert fest, daß Farrell ihre momentane Schwäche nicht bemerkt hatte. Er starrte ihre kümmerlichen Schätze an und sagte: »Nicht übel, wirklich gar nicht übel. Daß man Ihnen erlaubt hat, spazierenzugehen, und diese beiden Steine, die sie aufgelesen haben, das sind zwei echte Wunder. Kein Mensch darf mehr als zwei Wunder erbitten, den Rest müssen wir selbst besorgen.«
    »Ich könnte noch um ein weiteres Wunder bitten«, sagte Mrs. Pollifax spitz. »Ach, wenn wir doch nur ein Messer hätten!«
    Leider war auch bei der Party nirgends ein Messer zu sehen.
    Gabeln gab es, von denen Mrs. Pollifax unverzüglich zwei zu sich steckte, und verschieden große Löffel, aber keine Messer, nicht mal stumpfe. Vielleicht wäre Mrs. Pollifax ohne den Raki, den Lulasch aus dem Weinkeller gestohlen hatte, wieder entmutigt geworden.
    Lulasch und Major Vassovic hatten dem Raki sichtlich schon vorher zugesprochen. »Trinken Sie mit uns«, forderte Lulasch sie mit glänzenden Augen auf.
    »Gern«, antwortete Mrs. Pollifax und erstaunte die beiden nicht wenig, als sie ihr Glas mit einem Zug leerte. »Es ist ganz besonders reizend von Ihnen, diese Party für mich zu geben«, sagte sie bewegt.
    »Nehmen Sie eine Olive«, bot Lulasch ihr verlegen an. »Und trinken Sie noch Raki.«
    »Aber es ist kein Messer da«, machte Mrs. Pollifax ihn aufmerksam.
    »Wozu brauchen Sie ein Messer?«
    »Ich esse Oliven immer mit dem Messer«, erklärte Mrs. Pollifax zuversichtlich.
    Major Vassovic schüttelte den Kopf. »Wir haben keine. Versuchen Sie es mit der Gabel.«
    Ergeben schickte Mrs. Pollifax sich in die Absage und trank eben ihr zweites Glas Raki, als Oberst Nexdhet mit einem Käsegericht und einem Instrument eintrat, das wie eine Zither aussah. Mrs. Pollifax reagierte zwiespältig auf sein Kommen. Sie mißtraute ihm unsäglich, fand ihn als Mensch aber sehr sympathisch.
    »General Hoong kommt auch«, eröffnete der Oberst. »Anscheinend liebt er Partys.«
    »Dann singe ich lieber, ehe er hier ist«, sagte Lulasch und setzte sich sofort mit untergeschlagenen Beinen auf den Boden. Der Oberst zupfte an den Saiten des sonderbaren Instruments, und Lulasch begann eine wehmütige Melodie in Moll zu singen.
    Major Vassovic schneuzte sich geräuschvoll, nachdem Lulasch geendet hatte, und Mrs. Pollifax versuchte schnell irgendwie abzulenken, bevor sie alle sentimental wurden. Ihr selbst war gar nicht traurig zumute. Ganz im Gegenteil, der Raki hatte sie leichtsinnig und ein bißchen angriffslustig gemacht. Sie wandte sich an Oberst Nexdhet und sagte würdevoll, aber mit schwerer Zunge: »Oberst Nexdhet, ich habe über Ihr Land nachgedacht und bin zu dem Schluß gelangt, daß es unmoralisch von Ihnen war, es an China zu verschenken.«
    Betroffen fragte Lulasch: »Er hat uns an China verschenkt?«
    Der Oberst sagte streng: »Nicht ich persönlich, Soldat Lulasch.«
    »Wer war es dann? Das würde mich wirklich interessieren! Wer hat uns an China verschenkt?«
    Der Oberst zuckte die Achseln. »Die Russen sind abgezogen und die Chinesen sind an ihre Stelle getreten.«
    Major Vassovic hob den Blick und sagte linientreu: »Wir haben die Hilfe Chinas gebraucht. Wir haben uns dankbar und freiwillig diesem Land anvertraut.«
    Lulasch zog ein beleidigtes Gesicht. »Mich hat kein Mensch danach gefragt, ob ich damit einverstanden bin. Sie vielleicht, Major? Was unser Land braucht, ist ein George, ein George… « Hilfesuchend wandte er sich an Mrs. Pollifax. »Wie hat der nur geheißen, von dem Sie mir erzählt haben?«
    »Washington.«
    »Richtig, George Washington. Und ich will Ihnen noch was verraten, Herr Oberst. Wenn mich jemand fragen sollte, wem man dieses Land geben soll, dann sage ich: Gebt es Mrs. Pollifax!«
    »Oh, vielen Dank, Lulasch«, sagte sie gerührt.
    Oberst Nexdhet sagte nachsichtig: »Lulasch, Sie haben zuviel Raki getrunken.«
    Die Tür öffnete sich und General Hoong trat in großer Galauniform ein. An seiner Brust funkelten die Orden, in seinem Gürtel steckte die Pistole.
    »Auf die Demokratie!« brüllte Lulasch, und leerte sein Glas.
    General Hoong sah sich um, und schließlich blieb sein Blick auf Lulasch haften. Angewidert sagte er: »Soldat Lulasch, Sie sind betrunken.« Dann verneigte er sich vor Mrs. Pollifax

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