kommt wie gerufen
Lebens gespielt – ich, Emily Pollifax! Ich habe mich wie ein junges Mädchen benommen, war süß und hilflos und hätte beinahe mit diesen beiden Männern kokettiert, und das in meinem Alter! Abstoßend!«
»Nein!« rief Farrell grinsend.
Sie nickte. »Ich bin vor nichts zurückgeschreckt. Sie haben beinahe schon um mich geweint.«
»Doch nicht wegen dieses traurigen Exemplars eines Nadelbaumes, hoffe ich.«
»Dieses traurige Exemplar eines Nadelbaumes, mein lieber Farrell, wird in Kürze zu einer Krücke umgewandelt werden, die Ihnen helfen wird, quer durch Albanien an die Adria zu wandern«, versetzte Mrs. Pollifax beleidigt.
Farrell stieß einen Pfiff aus. »Donnerwetter, Herzogin – ich bitte tausendmal um Vergebung.« Abschätzend betrachtete er den Stamm und nickte. »Ja, der eignet sich vorzüglich.«
»Er hat zwar leider kein Querholz, aber wir können Teile der Matratze und eine Decke um die Spitze wickeln, und damit Ihren Arm schonen. Haben Sie die Landkarte schon durchgepaust?«
»Ja, trotz Nexdhet. Dieser Mann ist völlig unberechenbar in seinem Kommen und Gehen. Wenn er schon darauf besteht, seine Rolle als Mithäftling weiterzuspielen, dann sollte er das wenigstens überzeugender tun und mit mir leiden. Bestimmt darf er das Bad benützen, und das ist eine Bevorzugung, die ich unverzeihlich finde. Außerdem spricht er nie mit mir, er grunzt bloß.«
»Aber Sie haben die Kopie der Landkarte fertiggestellt!«
»Natürlich. Und noch etwas ist geschehen, zum Glück in Nexdhets Abwesenheit. Vor etwa einer Stunde kam das durchs Fenster geflattert.« Er zog einen Zettel aus seiner Tasche.
»Unser Nachbar!« schrie Mrs. Pollifax auf. »Dann hat er also doch geantwortet!«
»Gewissermaßen«, erwiderte Farrell und sah ihr spöttisch zu, wie sie den Zettel ans Licht hielt. In wunderschönen Schriftzeichen stand folgende Nachricht auf dem Zettel:
15
Am gleichen Abend entfernte sich Oberst Nexdhet, und Mrs. Pollifax setzte sich unverzüglich auf Farrells Pritsche. Sie hatte den ganzen langen Nachmittag Patiencen gelegt und Berechnungen über ihre Chancen angestellt, die ihrer Verdauung keinesfalls zuträglich gewesen waren. Sie hatte auch begonnen, sich immer wieder zu kratzen und fürchtete, daß sie Läuse hatte, aber darunter litt sie nicht halb so viel wie unter dem Wissen, daß General Perdido innerhalb von vierundzwanzig Stunden erscheinen würde.
»Ist er fort?« flüsterte Farrell. Solange Adhem Nexdhet bei ihnen war, sprachen sie kaum etwas miteinander.
»Vielleicht bleibt er nicht lange aus«, warnte Mrs. Pollifax. Sie fand, daß Farrell noch genauso abgezehrt aussah, wie nach seiner Verwundung, aber seine Augen blickten lebhafter und verrieten mehr Anteilnahme, als sie seit langem bei ihm gesehen hatte.
»Gut, gehen wir die Liste durch.«
Mrs. Pollifax nickte. »Wir haben einen Baum.« Sie warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu, »aber nicht die leiseste Möglichkeit, ihn zu einem Krückstock zurechtzuschneiden.«
Sie kritzelte >Messer oder ähnliches< in ihren Notizblock.
»Weiter.«
Düster fuhr sie fort: »Wir haben Munition für Beretta-oder Nambu-Pistolen, nur leider haben wir keine Pistolen.«
Bei dieser Eröffnung verzog Farrell mißmutig das Gesicht.
»Wir haben genügend Käse und hartes Brot für zwei Leute – genaugenommen, zwei Zwerge – für zwei Tage. Aber kein Wasser.«
»Mmm.«
»Wir haben einen funktionierenden Kompaß. Zumindest hoffen wir, daß der funktioniert. Und die Kopie einer aus dem Jahre 1919 stammenden Landkarte von Albanien. Und zwei Steine.«
»Oh, Steine!« sagte Farrell entzückt. »Aber gehen wir die Gegenstände der Reihe nach durch. Vor allem den Baum. Man wird uns kaum ein Messer oder eine Säge freiwillig in die Hand drücken. Sie haben wohl keine herumliegen sehen, die Sie, na sagen wir, klauen könnten?«
»Im Waffenschrank liegt zumindest ein Dutzend Messer herum«, sagte Mrs. Pollifax. »Aber die sind unter Glas und versperrt. Außerdem ist immer jemand bei mir, und ich glaube kaum, daß sie sich ein Messer abhandeln lassen.«
»Nein, das ist unwahrscheinlich. Ich könnte ja bitten, mich rasieren zu dürfen – «
»Die würden Ihnen das Rasiermesser garantiert wieder abverlangen.«
Er nickte, war aber nicht im mindesten entmutigt, worüber Mrs. Pollifax sehr froh war, denn ihr Mut ließ sie immer mehr im Stich.
»Die Zweige können wir im letzten Augenblick mit bloßen Händen abreißen, aber wir brauchen eine scharfe
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