kommt wie gerufen
Kante für den Wipfel«, sagte er.
»Wie sollen wir denn das machen, wenn Oberst Nexdhet ständig bei uns in der Zelle ist?« fragte Mrs. Pollifax. »Ich habe gedacht – nämlich, ich habe die Steine mitgenommen, damit wir ihn im richtigen Zeitpunkt damit niederschlagen können, aber… « Ein Schauer überlief sie. »Ich bringe das nicht fertig. Können Sie das?«
»Ja.«
»Aber Sie können doch nicht einmal gehen?«
Farrell lächelte vielsagend. »Nein, aber so ganz untätig bin ich auch nicht geblieben, Herzogin. Nachts, wenn Sie und unser geliebter Spitzel geschlafen haben, war ich damit beschäftigt, meine Kräfte zu reaktivieren. Ich stehe auf, ich mache die verrücktesten Übungen. Sehen Sie doch.« Mühsam erhob er sich und blieb aufrecht stehen, wobei er das Gewicht auf das gesunde Bein verlagerte.
»Ich werde nicht mehr schwindlig. Beim erstenmal wäre ich beinahe umgefallen, so benommen war ich. Auch meine Hände und Augen habe ich trainiert. Ja, ich kann unserem Freund schon eins über den Schädel geben, zumindest, wenn er genügend nahe an mich herankommt. Zeigen Sie mir bitte die Steine und was sonst noch von Ihren Tauschwaren übrig ist.«
»Tauschwaren«, wiederholte Mrs. Pollifax lächelnd. »Für hilfsbereite Einheimische, meinen Sie?« Sie holte den zusammengeschmolzenen Inhalt ihrer Tasche hervor. »Ein Lippenstift, ein Taschentuch… «
Er betrachtete beide Gegenstände so interessiert, als hätte er noch nie ähnliches gesehen. »Verwenden Sie immer Herrentaschentücher?« fragte er grinsend.
»Ja, schon seit mehreren Jahren. Sie haben meinem Mann gehört und sind viel größer.«
»Ausgezeichneter Knebel«, meinte er.
»Daran hatte ich gar nicht gedacht«, sagte Mrs. Pollifax erfreut.
»Das muß man aber«, murmelte er. Er hatte die Lippenstifthülse auseinandergenommen und untersuchte sie. Mit dem Finger befühlte er den Rand der Metallhülse und sagte rasch: »Zeigen Sie mir mal Ihre Steine. Sind sie spitz?«
Mrs. Pollifax neigte sich gespannt über seine Schulter. »Haben Sie vielleicht eine scharfe Kante gefunden?«
»Sie genügt nicht, fürchte ich, aber ich will versuchen, sie mit dem Stein zurechtzuschleifen. Ohne Pistole allerdings…«
»Aber wenn es uns erst gelingt, bis zum Wachzimmer zu flüchten, können wir dort so viele Pistolen stehlen, wie wir wollen«, wandte Mrs. Pollifax ein.
»Ja, und ein Messer obendrein, bloß können wir die Präparierung der Krücke nicht bis zum letzten Augenblick hinauszögern. Dann haben wir nicht mehr genügend Zeit dafür. Wir müssen sie irgendwie in der letzten Stunde, die wir hier sind, zurechtschneiden, am besten, nachdem wir unseren Spitzel bewußtlos geschlagen haben«
»Und dabei ist er ein so freundlicher Mensch. Ich mag ihn gern«, seufzte Mrs. Pollifax. »Sie werden ihn doch nur ganz sanft niederschlagen, nicht wahr?«
»Jawohl, sanft, aber gründlich.«
»Wann sollen wir – das heißt, um welche Zeit soll es denn morgen losgehen?« fragte Mrs. Pollifax schüchtern. »Die einzige Gelegenheit bietet sich, wenn jemand die Zellentür aufsperrt und hereinkommt, Lulasch mit dem Essen, oder wer immer Dienst hat. Den schlagen wir wohl auch nieder, nehme ich an?«
»Jeden, auch Major Vassovic – irgendwie.«
»Ich könnte ja schreien oder sonst Krach schlagen, damit er nachsehen kommt«, schlug Mrs. Pollifax vor, die von Farrells Unternehmungsgeist angesteckt wurde. »So gegen sechs Uhr, was meinen Sie?«
Farrell schüttelte den Kopf. »Beim Abendessen ist es noch zu früh. Da ist es draußen zu hell. Wir wissen ja nicht, wie viele Leute in dem anderen, großen Gebäude untergebracht sind. Die könnten uns sonst im Freien entdecken.«
»Aber wenn wir warten, bis man die Kerze bringt, ist es vielleicht schon zu spät«, sagte Mrs. Pollifax ängstlich. »Dann ist vielleicht schon General Perdido hier, und er wird uns bestimmt sofort nach seiner Ankunft sehen wollen.«
»Ich werde mir etwas ausdenken«, entschied Farrell mit Bestimmtheit. »Mir geht es schon bedeutend besser. Verlassen Sie sich nur auf mich und machen Sie sich keine Sorgen.«
»Keine Sorgen«, wiederholte Mrs. Pollifax und spürte plötzlich, daß sie zu zittern anfing, wie bei einem Schüttelfrost. Was für ein Wahnsinn, dachte sie entsetzt. Das konnte doch alles nicht wahr sein, weder Albanien noch Farrell noch General Perdido noch diese lächerliche Zelle, in die man sie gesteckt hatte – und morgen abend wollten sie mit zwei Steinen und einem in
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