kommt wie gerufen
konnte. Es war anzunehmen, daß beide gut bewaffnet waren, und jeder lehnte sich ungeduldig nach vorn, als könnte er das Ziel schon kaum mehr erwarten. Das Polizeiboot war zu alt und zu schwerfällig gebaut, um rasch vorwärtszukommen, aber selbst wenn sein Motor zeitweise ausfiel, war es einer Londra, deren Ruder von einem einzigen Mann bedient wurde, weit überlegen.
»Sie können gar nicht wissen, wer wir sind, sie wissen bloß, daß wir den Fluß entlanggefahren sind«, warf Mrs. Pollifax erregt ein.
»Sie werden rasch genug unsere Identität herausbekommen«, sagte Farrell bissig und begann leise und wortreich ihre Hilflosigkeit zu verfluchen, während der Dschinn wie verrückt ruderte.
Mrs. Pollifax blickte um sich und hoffte auf irgendeinen rettenden Einfall oder eine Versteckmöglichkeit, aber der Fluß hinter ihnen war leer, und vor ihnen dehnte sich das offene Meer, und nur einige Bojen bezeichneten die Flußmündung. Bojen… nein, damit ließ sich nichts anfangen… Mrs. Pollifax sah zum linken Flußufer und stieß einen Schrei aus. »Seht doch! Dort ist eine Mole und daran ein Boot – ein Segelboot!«
»Na und?« brummte Farrell und entsicherte die Pistole.
»Aber Segelboote sind schnell!« Mrs. Pollifax beugte sich nach vorn und packte den Dschinn am Arm. »Bitte, schauen Sie doch!« flehte sie ihn an. »Der Mann macht sich zur Ausfahrt fertig, das Segel ist bereits gehißt, wir haben eine Pistole und können ihn zwingen, daß er uns aufs offene Meer hinausbringt, das ist unsere einzige Rettung! Schon stand sie hinter dem Dschinn und half ihm beim Rudern. »Schneller«, flüsterte sie. »Schneller, schneller, schneller!« Der Dschinn hatte ein Ruder quergestellt, um die Richtung zu ändern, aber sie ruderten dadurch gegen die Strömung und das Polizeiboot kam, trotz seines mühsam keuchenden Motors, beängstigend rasch näher. Der Anlegeplatz war sehr klein, genaugenommen nichts als ein Floß, zu dem ein schmaler Landungssteg übers Wasser führte. Das daran vertäute Boot sah schwer, aber seetüchtig aus. Es war etwa fünfundzwanzig Fuß lang, und das weiße Segel blähte sich sanft im Wind, während der Mann an den Tauen arbeitete. Das asthmatische Schnaufen des Motors hinter ihnen wurde lauter, und jetzt konnte Mrs. Pollifax bereits die Gesichter der beiden Männer deutlich erkennen. Sie begann zu zittern.
»Schneller«, sagte Farrell gereizt. »Schneller, wir sind beinahe dort, aber die anderen auch.«
Der Fischer trug ein rotes Leibchen und zerknitterte Hosen. Er schien das Wettrennen gar nicht zu bemerken. Gemächlich hob er einen Eimer hoch und räumte ihn fort, ging nach vorn, um die Vertäuung zu lösen, kehrte nach hinten zurück und zog die Heckseile an Bord. Dann stieß er ab, die Segel blähten sich im Wind und das Boot löste sich vom Landeplatz. Der Dschinn änderte die Richtung, um dem Segler ins Meer hinaus zu folgen, und er und Mrs. Pollifax begannen laut nach dem Mann am Steuer zu rufen.
»Warten Sie – warten Sie auf uns!« schrie Mrs. Pollifax, und der verdutzte Fischer drehte sich um und sah sie an. Sie waren jetzt ganz nahe, aber das Motorboot war ebenfalls dicht aufgerückt. »Warten!« brüllte Mrs. Pollifax und winkte verzweifelt.
Der Fischer runzelte die Stirn. Unschlüssig und mißtrauisch drehte er an der Ruderpinne, und der Bug war direkt auf ihr Boot gerichtet.
Er musterte sie mit argwöhnischer Neugier. Mit aller Kraft stemmte der Dschinn ein Ruder ins Wasser und die Londra schoß direkt vor den Bug des Fischerbootes. Der Dschinn ließ beide Ruder fallen, sprang über Mrs. Pollifax hinweg und landete mit einem Satz auf dem Segelboot.
»Zott!« entfuhr es dem verdutzten Fischer. Er stand empört auf, aber der Dschinn beachtete ihn gar nicht, beugte sich übers Wasser und zog die Londra ans Segelboot, dabei rief er Farrell zu: »So legen Sie doch auf diesen Mann an! Und klettern Sie an Bord, ehe er mich mit bloßen Händen erwürgt!« Seine Stimme vermengte sich mit Rufen aus dem Polizeiboot, das hinter ihnen war. Das Boot zielte genau auf den Segler ab, um ihn zu rammen, aber mittlerweile hatte der Dschinn die Londra als Puffer zwischen die beiden Boote gezogen. »Schnell«, sagte er zu Mrs. Pollifax, und sie stolperte zu Farrell, um ihm zu helfen, das verletzte Bein über die Bootskante zu ziehen.
Der Fischer hatte seine wütenden Proteste eingestellt. Er gaffte mit offenem Mund und ließ den Blick von der Pistole in Farrells Hand zu Mrs. Pollifax wandern.
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