Komoedie des Alterns
beleidigt, daß er wie vom Schlag gerührt dastand, immer noch die Arme ausgebreitet, um Sarani mit einem Bruderkuß zu begrüßen, doch diese Arme standen, wie Freudensprung beobachtete, steif zur Seite, bis plötzlich Leben in den Mann einkehrte und er zunächst die Fäuste ballte und sie drohend gegen Sarani, der das nicht sah, erhob, dann kehrtmachte und weglief.
Zacharias wandte sich Heinrich zu, nahm ihn am Arm und wollte ihn mit sich ziehen, doch der war nur mit Mühe von der Stelle zu bewegen. Die schroffe, feindselige Art Saranis gegenüber Mustafa hatte Freudensprung so verstört, daß er dachte, Zacharias sei im Alter starrsinnig und bösartig geworden, er sehe wohl jeden als Feind an, ihn, Heinrich, ebenso wie Mustafa.
Da redete Sarani milde auf den Freund ein. Er habe sich in diesem Augenblick entschlossen, mit dem Gangster zu brechen. Es sei damit zu rechnen, daß Mustafa sich rächen werde. Der Konflikt schwele seit Jahren. Mustafa habe sich nicht gescheut, seiner Leibwache zu befehlen, Sprengstoff und Waffen einzusetzen. Das habe sich noch nicht direkt gegen Sarani gerichtet, sehr wohl aber gegendessen Versuche, die kümmerlichen Ansätze zur Industrialisierung des Landes zu fördern, auch zum Nutzen der Farm. Noch habe es keinen Toten gegeben.
Dieser feige, ja verbrecherische Friede, den er, so fuhr Sarani fort, eingehalten, den der andere aber gebrochen habe, sei nun zu Ende. Heinrich solle das nicht beunruhigen, Zacharias unterhalte zum Schutz der Farm eine kleine Armee, er habe das in seinen Briefen an Heinrich als eine Möglichkeit angedeutet, die sei inzwischen Realität geworden, und von dieser Privatarmee werde er zu Heinrichs und zu seinem eigenen Schutz ein paar Leute, von denen es heiße, sie seien verläßlich, zum Flughafen bitten.
Verläßlich, sagte Sarani, was für ein unzuverlässiges Wort in einem Staat, in dem der Staatspräsident damit rechnen müsse, von einem Mitglied seiner Leibwache erschossen zu werden, da, und dieses Dilemma sei so alt und langweilig wie aktuell, der Staat weltlich fundiert sein wolle, was ein nicht unbeträchtlicher Teil der Bevölkerung ablehne und statt dessen einen Gottesstaat verlange, ein Begehren, das, da es ein Jenseits im Diesseits anstrebe, der Vernunft nicht zugänglich sei, die Leidenschaft aber in dauerhafte Raserei versetze, welche wiederum, um mit dem offiziellen Staat nicht in offenen Krieg zu geraten, im verborgenen tobe. Mustafa sei unter diesen Verhältnissen, das aber werde er dem Freund später schildern, vom verbrecherischen Geschäftsmann zum geschäftstüchtigen Verbrecher geworden.
Es tue ihm leid, sagte Sarani, das erwähnen zu müssen, Heinrich sei gewiß nicht nach Kairo gekommen, um sich diesen Quatsch anzuhören, worauf Freudensprung erwiderte, Zacharias irre. Er hatte eine heftige Konfrontationmit Zacharias erwartet und war froh, daß diese nicht, jedenfalls nicht sofort stattfand. Am liebsten wäre ihm gewesen, Zacharias hätte stundenlang über Mustafa räsoniert.
Es sei schön, sagte Freudensprung, Zacharias’ Stimme zu hören. Und er, erwiderte Sarani, habe eben sagen wollen, es sei schön, Heinrich zu sehen. Er sei hier, entgegnete Freudensprung, um dem Freund etwas mitzuteilen; er sei aber noch nicht zum Reden gekommen. Das sei nicht nötig, sagte Sarani, zum Reden sei Zeit genug, er lasse den Freund nicht so bald weg; oder aber, auch das halte er für möglich, sie würden über diese leidige Sache gar nicht sprechen; vielleicht sei es schade um die Zeit.
Sie sollten an ihre früheren Gespräche anknüpfen, fuhr Sarani fort, falls das möglich sei, was er allerdings für ungewiß halte. Im Alter scheine das Leben zu zerfallen, das treffe auf sie beide zu. Er hakte sich bei dem Freund unter, wodurch er Tempo und Richtung bestimmen konnte. Wochenlang, fuhr Sarani fort, habe er sich das Gehirn zermartert, um herauszufinden, was Heinrich zu der Intrige gegen ihn bewogen habe. Und plötzlich wisse er, daß es das Alter sei, das Heinrich verändert habe, daß Heinrichs Persönlichkeit, wie Zacharias sie gekannt und geschätzt und geliebt habe, in Auflösung begriffen sei – wie übrigens auch seine eigene –, daß Heinrich also nicht als der gehandelt habe, als den Zacharias ihn kannte. Deshalb lohne es sich nicht, über die Angelegenheit zu reden.
Sarani wollte den Freund weiterziehen, doch der bewegte sich nur langsam und mit kleinen Schritten, zu sehr war er mit einem Gedanken beschäftigt und dem Entschluß,
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