Komplott
genau, was sie gerade gesehen hatten.
Paula nahm einen Schluck von ihrem Tee, lehnte aber dankend ab, als Saafeld ihr den Teller mit dem Kuchen hinhielt. Obwohl sie bei ihrer Ankunft durchaus Hunger gehabt hatte, war ihr jetzt der Appetit vergangen. Auch Tweed wollte nichts zu sich nehmen.
»Wir haben gerade zu Mittag gegessen«, erklärte Paula, obwohl das eine Notlüge war.
»Was können Sie uns über den Mörder sagen?«, fragte Tweed.
Saafeld lehnte sich in seinem Sessel zurück und blickte hinauf zur Decke, als müsse er sich seine Antwort sorgfältig überlegen.
»Zunächst einmal, dass er über beträchtliche Kraft verfügen muss«, begann er. »Meine Untersuchungen haben ergeben, dass er sowohl die Extremitäten als auch den Kopf mit einem einzigen Schlag des Beils abgetrennt hat. Nachdem es durch Haut, Muskeln und Knochen gedrungen war, hat es noch tiefe Kerben in den Fußboden geschlagen.
Das lässt darauf schließen, dass der Schlag mit enormer Kraft geführt wurde.«
»Bestimmt hat der Täter dabei viel Blut an seine Kleidung gekriegt«, sagte Tweed.
»Davon gehe ich aus. Es kann aber gut sein, dass er das vorausgesehen und eine Art Schutzkleidung getragen hat wie Sie vorhin im Obduktionssaal. Die kann er dann noch am Tatort ausgezogen und in einer Tasche mitgenommen haben.«
»Wurden eigentlich in der Fox Street Hinweise auf ein gewaltsames Eindringen gefunden?«
»Überhaupt keine, woraus ich schließe, dass Viola Vander-Browne ihren Mörder gekannt haben muss«, erwiderte Saafeld. »Er – oder sie« – dabei warf er Paula einen kurzen Blick zu – »muss alles ganz genau geplant haben. Wenn er tatsächlich Schutzkleidung dabeihatte, kann er sie sich angezogen haben, während Vander-Browne im Bad war und sich frisch machte – wir haben dort einen Wattebausch mit Puder gefunden.«
»Ist das alles, was Sie uns sagen können?«, fragte Tweed.
»Nun, ich bin kein Psychiater, aber vermutlich haben wir es mit einem extrem gefährlichen Psychopathen zu tun. Wenn sich in solchen Menschen genügend psychischer Druck aufbaut, brechen oft sämtliche Dämme.«
»Meinen Sie denn, dass wir in den nächsten Tagen oder Wochen mit weiteren Morden rechnen müssen?«, fragte Tweed.
»Wie gesagt, ich bin kein Psychiater, aber meine Erfahrung lehrt mich, dass solche Täter, wenn sie erst einmal eine gewisse Hemmschwelle überschritten haben, meist weitere Morde begehen. Sie geraten dann in einen Blutrausch, bei dem es kein Halten mehr gibt.«
6
Während Tweed den Wagen zurück zur Park Crescent steuerte, blickte Paula ihn mehrmals verstohlen von der Seite an. Er sagte kein einziges Wort und machte ein so betrübtes Gesicht, wie sie es noch nie an ihm gesehen hatte.
»Bitte fahren Sie links ran«, sagte Paula schließlich.
Tweed betätigte den Blinker und steuerte den Wagen in eine Parkbucht am Straßenrand. Paula bat ihn, den Motor abzustellen, was er auch tat. Dann ließ er den Kopf hängen und rutschte in seinem Sitz ein wenig nach unten. Paula nahm seine Hand.
»Was ist denn los mit Ihnen?«, fragte sie.
»Nichts.«
»Doch, Sie haben etwas. Sagen Sie es mir. Es hilft, wenn man darüber redet.«
Paula holte eine kleine Wasserflasche aus einem Staufach in der Tür und reichte sie Tweed. Nachdem er sie halb ausgetrunken hatte, gab er sie zurück.
»Danke, jetzt geht es mir schon viel besser.«
»Das glaube ich nicht«, sagte Paula beharrlich. »Sagen Sie mir, was Sie bedrückt. Ich bin’s, Paula. Haben Sie das vergessen?«
»Vorhin in dem Sektionssaal ist mir plötzlich in den Sinn gekommen, wie Viola gestern bei dem Abendessen im Mungano’s ausgesehen hat. Sie wirkte so jung und lebhaft, und sie sah so wunderbar aus. Ich mochte sie sehr, und ich glaube, sie mochte mich auch. Hätte ich sie doch nur nach Hause gebracht, anstatt in dieser Sackgasse hinter dem Steuer einzuschlafen. Wahrscheinlich wäre sie dann noch am Leben. Das werde ich mir niemals verzeihen …«
Er hielt inne, weil Paulas Handy klingelte. Sie ging ran, hörte kurz zu und stellte ein paar Fragen, bevor sie das Mobiltelefon wieder in die Tasche ihrer Windjacke steckte.
»Das war Professor Saafeld«, sagte sie ruhig. »Er hat vergessen, Ihnen das Ergebnis Ihres Bluttests mitzuteilen, wofür er sich übrigens vielmals entschuldigt. In Ihrer Margarita war Percodin.«
»Meinen Sie etwa Percodan?«, fragte Tweed überrascht.
»Nein, das ist ein amerikanisches Medikament. Percodin wirkt völlig anders. Es dämpft das zentrale
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