Komplott
untersucht wurde. Über den Tischen waren Kameras angebracht sowie an schwenkbaren Armen befestigte Röntgengeräte. Paula stach jetzt ein anderer Geruch in die Nase: der penetrante, leicht süßliche Geruch verfaulenden Fleisches.
»Da liegt sie, die arme Frau«, sagte Saafeld und führte Paula und Tweed zu einem dritten Tisch aus Edelstahl.
Es war höchst ungewöhnlich für ihn, dass er sich irgendwelche Emotionen bezüglich der von ihm untersuchten Toten anmerken ließ. Als Paula die sterblichen Überreste von Viola Vander-Browne erblickte, die auf dem dritten Stahltisch ausgelegt waren, begann sie in ihren Latexhandschuhen an den Handflächen zu schwitzen. Der aschfahle, knapp unterhalb des Kinns abgetrennte Kopf lag ein paar Zentimeter vom Stumpf des Halses entfernt, an dem das getrocknete Blut eine dunkelbraune Farbe angenommen hatte. Mit zusammengebissenen Zähnen ließ Paula ihre Blicke über den Rest der Leiche schweifen – die Unterarme und Unterschenkel und die grässlichen, offen klaffenden Stümpfe an Ellenbogen und Knien.
»Genau so habe ich die Leiche auf dem Bett in der Fox Street gefunden«, erklärte Saafeld mit gedämpfter Stimme. »Aber getötet wurde sie auf dem Fußboden. Der Mörder muss -«
»Wieso eigentlich der Mörder?«, unterbrach ihn Paula. »Könnte es denn nicht eine Frau gewesen sein?«
»Möglich wäre es«, gab Saafeld zu. »Allerdings habe ich festgestellt, dass die Frau vor ihrem Tod vergewaltigt wurde. Daraus, dass ich in ihrer Scheide kein Sperma gefunden habe, schloss ich eigentlich, dass der Täter ein Kondom verwendet haben muss.
Natürlich wäre es auch möglich, dass eine Frau es mit einem Dildo oder etwas Ähnlichem getan hat.« Er hielt kurz inne. »Fest steht, dass der Mord mit einem scharfen Werkzeug begangen wurde – vermutlich einem Fleischerbeil. Erst wurden ihr die Extremitäten und schließlich als Letztes der Kopf abgetrennt. Man kann annehmen, dass sie das meiste davon bei vollem Bewusstsein erlebt hat. Sie muss vor ihrem Tod schrecklich gelitten haben.«
»Hat eigentlich das Licht gebrannt, als Sie an den Tatort kamen?«, fragte Tweed.
»Ja. Der Mörder muss es wohl angelassen haben. Was das Fleischerbeil betrifft, so haben wir im Fußboden mehrere Kerben gefunden, die wohl von seiner Klinge stammten. Daraus und aus den Blutspuren schließe ich, dass der Mord am Boden geschah und der Täter später die Leichenteile aufs Bett gelegt und so angeordnet hat, wie Sie sie jetzt vor sich sehen.«
»Das ist ja grauenvoll«, hauchte Paula und räusperte sich.
»Einer der brutalsten Morde, die ich je untersucht habe«, bestätigte Saafeld. »Und ich habe weiß Gott schon viel gesehen in meiner Karriere. Wenn Sie keine weiteren Fragen haben, würde ich Sie jetzt gern in mein Wohnzimmer bitten. Dort können wir in angenehmerer Atmosphäre über den Fall reden, und außerdem hat meine Frau eine kleine Erfrischung für Sie vorbereitet.«
Er wandte sich an einen seiner Assistenten, der sich gerade an einem Waschbecken die Hände wusch.
»John, bitte machen Sie Röntgenaufnahmen von der Toten auf meinem Tisch, und bringen Sie sie dann zurück in den Kühlraum.«
Der junge Mann nickte, und Saafeld ging zur Tür.
In dem Raum zwischen den beiden Stahltüren zogen er und seine Besucher Handschuhe, Kopfbedeckung und Kittel aus. Während Saafeld sie in einen Plastikbeutel steckte, wandte er sich an Tweed.
»So, das wäre geschafft. Jetzt haben wir uns wahrlich eine Tasse Tee verdient.«
Fünf Minuten später saßen sie in einem luxuriös ausgestatteten Wohnzimmer in gemütlichen Sesseln und ließen sich von Mrs. Saafeld, einer gepflegten grauhaarigen Dame Ende fünfzig, dampfenden Tee in hauchdünne Tassen aus Porzellan einschenken.
»Lass mich das machen, meine Liebe«, bot Saafeld an.
»Danke, Willy, aber das schaffe ich schon«, gab seine Frau zurück und stellte die Kanne auf ein silbernes Tablett zurück, auf dem auch ein Teller mit Kuchen stand.
»Für uns hätten Sie sich nicht so viel Mühe machen müssen«, sagte Paula und lächelte Mrs. Saafeld freundlich an.
»Das ist doch nicht der Rede wert. Aber jetzt möchte ich mich entschuldigen. Heute haben wir Gäste zum Abendessen, und ich muss dringend zurück in die Küche.«
»Davon wusste ich ja gar nichts …«, begann Saafeld, der aber sofort verstummte, als seine Frau ihm einen vielsagenden Blick zuwarf. Paula erkannte sofort, dass Mrs. Saafeld sie lediglich nicht stören wollte. Sie wusste offenbar
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