Konaklub, 1, Freundin fürs Leben (German Edition)
trug eine Jeans und einen dicken Strickpulli. Darüber hatte er eine Weste mit vielen kleinen Taschen angezogen. Auf seinem Kopf saß eine schwarze Mütze, so eine, wie die Bösen in Filmen sie trugen. Als er an ihr vorbeifuhr, konnte sie Zigarettenrauch riechen. Er schimpfte und fluchte ununterbrochen vor sich hin und hatte ganz offensichtlich schlechte Laune. Ein Drogenabhängiger vielleicht, dachte Frossa. Sie hatte oft gehört, wie unberechenbar Drogenabhängige waren. Und wenn sie wütend wurden, konnten sie richtig gefährlich werden.
Dann fiel ihr Blick auf sein Fahrrad. Es war golden. Wie Emmas Fahrrad, das ihr gestohlen wurde. Ob es das war? Natürlich gab es viele goldene Fahrräder auf der Welt. Aber Emma hatte doch noch was über ihr Rad gesagt. Irgendetwas von einem Buchstaben auf dem hinteren Schutzblech. Genau, ein E für Emma hatte ihr Papa daraufgemalt. Stand auf diesem ein E? Aus dieser Entfernung konnte sie es nicht sehen und außerdem verschwand der Mann schimpfend hinter der nächsten Kurve.
Was sollte sie jetzt tun? Ohne länger darüber nachzudenken, lief sie zu ihrem Fahrrad und folgte dem Mann. Der Weg war holprig und sie musste ein paarmal absteigen und schieben. Aber sie hatte ihn bald eingeholt. Aus Angst entdeckt zu werden, hielt sie Abstand. Gleichzeitig aber wollte sie das mit dem E unbedingt aufklären.
Plötzlich sah sie, dass der Mann angehalten hatte. Der Weg machte eine Kurve und dort stand ein kleines rotes Haus mit weißen Fensterrahmen. Wahrscheinlich wohnte er dort. Er stieg ab und warf das Fahrrad hin, streckte sich und zündete eine Zigarette an. Frossa hatte sich hinter ein paar Sträuchern versteckt. Die waren zwar noch ohne Blätter, aber sie hoffte, dass er sie trotzdem nicht sehen konnte. Der Mann machte ein paar Schritte in ihre Richtung. Sie konnte seine Schuhe sehen, Stiefel mit derben Sohlen. Sie hörte ihn fluchen und vor sich hinschimpfen, das hatte er die ganze Zeit ununterbrochen getan. Er musste wirklich schlechte Laune haben. Was, wenn er sie entdecken würde?Würde es ihr gelingen, aufs Fahrrad zu springen und schnell genug wegzufahren?
Langsam näherte er sich. Die Mütze hatte er tief in die Stirn gezogen, sie konnte seine Augen nicht sehen. Plötzlich bekam sie furchtbare Angst. Warum war sie diesem Wahnsinnigen nur gefolgt? Ihr konnte doch Emmas Fahrrad total egal sein, darum musste sie sich doch gefälligst selbst kümmern. Ihr Herz flatterte in ihrer Brust, wie ein zu Tode erschreckter kleiner Vogel.
»Mama und Papa«, flüsterte sie. »Warum bin ich nicht mit euch nach Hause gefahren? Im Auto? Dann wäre ich jetzt in Sicherheit. Zu Hause.«
Der Mann kam immer näher. Und genau in dem Augenblick, als sie wusste, dass er sie entdeckt hatte und sie gleich im Nacken packen und sie aus dem Gebüsch ziehen würde, da klingelte sein Handy. Es war ein lautes und schrilles Klingeln. Er blieb abrupt stehen und wühlte in seinen Jackentaschen. Als er es gefunden hatte, ging er ran und bellte ins Telefon:
»Hallo! Hier ist Elofsson.«
Zuerst klang seine Stimme wütend, sie war schrill und durchdringend, gar nicht so tief wie vorher. Er schimpfte jemanden aus. Weil derjenige nicht zu einem vereinbarten Treffen gekommen war. Aber nach einer Weile beruhigte er sich wieder, drehte sich um, ging ins Haus und machte die Tür hinter sich zu. Dann hatte er sie also doch nicht gesehen! Was für eine Erleichterung!
Und was sollte sie jetzt tun? So schnell wie möglich nach Hause radeln? Um niemals wieder hierherzukommen? Oder sollte sie sich noch näher ans Haus heranschleichen und das mit dem E überprüfen? Würde ihr das gelingen, bevor der Mann wieder rauskam?
Kona, dachte sie, musste aber mit den Tränen kämpfen. Ich bin Mitglied im Konaklub … und da ist man kein Feigling …
Also kroch sie langsam durchs trockene, braune Gras. Der erste Huflattich wuchs schon am Wegesrand. Gelb wie kleine Sonnen. Mama hatte auch schon welchen gepflückt und in einem Kaffebecher auf den Küchentisch gestellt. Als sie an zu Hause dachte, wäre sie am liebsten sofort umgedreht und geflohen. Aber sie war ja schon so nah dran. Das goldene Fahrrad lag vor dem Haus auf dem Boden, direkt vor der Treppe. Sie schlich weiter. Jetzt konnte sie es ganz deutlich sehen. Es war ein Mädchenfahrrad. Das Schutzblech war dreckig, sie konnte nicht erkennen, ob ein E darauf gemalt war. Sie musste näher ran. Noch näher. Weiter vor.
Jetzt weiß ich, warum man zum Schutzblech auch
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