Konfessor - 17
freien Willens. Das war eine der größeren Schwierigkeiten, die wir in diesem Zusammenhang zu überwinden hatten - das Verständnis des Wechselspiels zwischen Prophezeiungen und freiem Willen.«
Cara rümpfte die Nase. »Ihr seid Prophet und glaubt an den freien Willen? Also, das ergibt nun wirklich keinen Sinn.« »Setzt der Tod das Leben außer Kraft? Nein, er definiert es und schafft dadurch seinen Wert.«
Cara schien nicht vollends überzeugt. »Ich verstehe nicht, wie es in den Prophezeiungen überhaupt so etwas wie freien Willen geben kann.« Nathan zuckte die Achseln. »Das beste Beispiel ist Richard selbst. Er ignoriert die Prophezeiungen und bildet gleichzeitig ihr Gegengewicht.« »Mich ignoriert er auch, und wenn er das tut, gerät er jedes Mal in Schwierigkeiten.«
»Da haben wir etwas gemeinsam«, bemerkte Ann. Cara seufzte. »Nicci hat es jedenfalls ganz richtig gemacht. Und ich glaube, nicht die Prophezeiungen, sondern ihr freier Wille hat sie dazu gebracht, das Vernünftige zu tun. Deswegen vertraut Lord Rahl ihr auch.«
»Da mag ich nicht widersprechen«, meinte Nathan achselzuckend. »So nervös es mich macht: Manchmal müssen wir Richard nach eigenem Gutdünken handeln lassen. Vielleicht hat Nicci letztendlich genau das getan - ihm das Werkzeug in die Hand gegeben, seinem freien Willen zu folgen.«
Nicci hörte kaum noch zu, sie war in Gedanken bereits ganz woanders. Unvermittelt wandte sie sich herum zu Nathan. »Ich muss zum Grab von Panis Rahl. Ich glaube zu wissen, warum es schmilzt.«
Während allmählich die Dämmerung heraufzog, rollte aus der Ferne ein Tosen heran, das ihre Aufmerksamkeit erregte. Cara reckte den Hals, um etwas zu erkennen. »Was ist denn da los?« Nicci ließ den Blick über das Meer der Soldaten schweifen. »Der Jubel gilt einer Ja’La-Partie. Jagang bedient sich ihrer als Mittel der Zerstreuung, sowohl für die Menschen in der Alten Welt als auch für seine Truppen. Allerdings sind die in der Armee verwendeten Regeln ein gutes Stück brutaler. Das Spiel stillt den Blutdurst seiner Männer.« Nicci war Jagangs Leidenschaft für dieses Spiel noch bestens in Erinnerung. Der Mann verstand es, die Gefühle seiner Untergebenen zu kontrollieren und zu steuern. Indem er die Schuld für jedes noch so alltägliche Problem denen zuschanzte, die sich weigerten, sich zum Glauben an die Imperiale Ordnung zu bekennen - in jüngster Zeit eben den Heiden aus dem Norden -, lenkte er die Menschen von ihrem alltäglichen Elend ab. Dieses Ablenkungsmanöver verhinderte, dass die Menschen die Ordenslehren hinterfragten, da dem Zweifler automatisch alle Schuld zugeschoben wurde.
Nicci kannte dies alles aus ihrer Zeit als Herrin des Todes - aus eigener Erfahrung. Für alles Leid wurden die Eigensüchtigen verantwortlich gemacht, und den Vorwurf der Eigensucht handelte sich ein, wer Fragen stellte. Auf diese Weise wurden die alltäglichen Probleme zu einer ständigen Erinnerung an den Feind, der sie nach landläufiger Meinung erst verursachte. Gleichzeitig galt es, in Freiheit und Wohlstand lebende Völker auszulöschen, da ihre bloße Existenz die Ordenslehren Lügen strafte.
Genau diesem Zweck diente auch Ja’La. Die etwas zivilisierte Spielart in den Städten richtete die emotionale Energie der Bevölkerung auf ein weitgehend bedeutungsloses Ereignis. Es bot ihr einen Anlass, sich zusammenzurotten und zu jubeln, und förderte so eine Geisteshaltung, die den Menschen mit dem Glauben durchtränkte, sich im Widerstand gegen andere zusammengeschlossen zu haben. In der Armee hingegen diente es dazu, die Männer von der Drangsal des Armeedienstes abzulenken. Da sich das Publikum aus aggressiven jungen Männern zusammensetzte, wurden diese Spiele unter verschärften und brutaleren Regeln abgehalten. Jagang wusste nur zu gut, dass er ohne diese Spiele kaum in der Läge wäre, in einer derart gewaltigen und kaum handzuhabenden Streitmacht Disziplin und Herrschaft aufrechtzuerhalten. Ohne Ja’La würde sich ihre aus Müßiggang geborene Aggressivität nach innen kehren, gegen sie selbst. Jagang besaß selbst auch eine Mannschaft, deren Zweck es war, die unerschütterliche Überlegenheit ihres Kaisers zu demonstrieren. Sie war der verlängerte Arm seiner Macht und Stärke, ein Objekt der Ehrerbietung, einer Ehrerbietung, die auf den Kaiser zurückfiel. Seine Ja’La-Mannschaft war die Verbindung zwischen ihm und seinen Männern, machte ihn zu einem der ihren, während sie gleichzeitig seine
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