Konfessor - 17
Neuen Welt erschaffen hatte. Aber letztendlich reicht ihr das noch nicht. Für das Kästchen, das sich jetzt in ihrem Besitz befindet, verlangt sie Macht.« Ann nickte. »Damit wäre gewährleistet, dass sie bei der Entfesselung der Macht der Ordnung mit von der Partie ist. Sie fühlt sich von der Möglichkeit der massiven Vernichtung alles Guten angezogen. Mag sein, dass es sie selbst nach Macht verlangt, aber ich denke, ihr eigentliches Ziel ist es, Teil dieser Demontage aller Werte und jeglicher Ordnung zu sein.«
»Eins aber ergibt dabei keinen Sinn.« Kopfschüttelnd starrte Nicci in den langen Flur. »Die Schwestern der Finsternis werden vermutlich nicht sonderlich erpicht auf einen Handel mit der Hexe sein. Sie fürchten sich vor ihr.«
»Den Hüter fürchten sie mehr. Sie brauchen das Kästchen unbedingt für die Entfesselung der Macht der Ordnung. Vergesst nicht, jetzt, da sie die Kästchen ins Spiel gebracht haben, ist ihr Leben verwirkt, sofern sie das falsche öffnen. Sie werden gar nicht anders können, als sich auf einen Handel mit Sechs einzulassen.«
»Vermutlich«, sagte Nicci.
Doch irgendetwas schien zu fehlen, nur kam sie nicht darauf, was. Irgendwie musste noch mehr dahinterstecken.
19
Niccis Hand glitt vom Pfosten und fiel herab, als sie weitergingen. Böden, Wände und Decke des stillen, sich in der Ferne verlierenden Flurs bestanden ausschließlich aus polierten Platten weißen Marmors, durchzogen von zarten grauen und goldenen Adern, die dem gesamten Gang ein leicht ungeordnetes Aussehen verliehen. Die in gleichmäßigen Abständen entlang den Wänden angebrachten Fackeln in Eisenhalterungen tauchten den noblen Flur in ein flackerndes Licht. Ein aufdringlicher Geruch von Pech hing in der stehenden Luft, sowie ein kaum merklicher Anflug beißenden Rauchs. An verschiedenen Stellen des Flures gingen andere Gänge ab, die zu den Grabstätten führten.
»Wir leben in gefährlichen Zeiten«, meinte Ann. Ihre Schritte hallten auf dem Steinboden wider. »Wir nähern uns der gefährlichsten mir bekannten Stelle in den Prophezeiungen, einer Stelle, die unseren möglichen Untergang bedeuten könnte.«
Nicci sah die alte Prälatin an. »Deswegen muss ich Zedd helfen, Richard zu finden, während Sechs gleichzeitig unbedingt daran gehindert werden muss, alle drei Kästchen der Ordnung zusammenzubringen. Sie hat mir ihre Gefährlichkeit bereits bewiesen, gelingt es uns aber, sie zu finden, könnte Zedd uns helfen, mit ihr fertigzuwerden. Noch wichtiger könnte es sein, dass ich an Schwester Ulicia und Armina herankomme, die die beiden anderen Kästchen haben. Haben sie erst alle drei zusammen, werden sie Richard mit dem Öffnen eines der Kästchen wohl kaum bis zum ersten Tag des nächsten Winters Zeit lassen, sondern sie sofort zu öffnen versuchen. Ich werde das unangenehme Gefühl nicht los, dass uns die Zeit davonläuft.«
»Der Meinung bin ich auch«, sagte Ann, als sie eine der zischenden Fackeln passierten. »Deswegen ist es ja so wichtig, dass Ihr für Richard da seid und ihn unterstützt.«
»Aber das will ich doch.«
Ann sah zu ihr hoch. »Ein Mann braucht eine Frau, um seine Entscheidungen mit ihr abzustimmen, erst recht, wenn diese den Lauf des Lebens verändern können.«
Nicci beobachtete, wie ihre Schatten sich um sie drehten, als sie eine weitere Fackel passierten. »Ich bin nicht sicher, ob ich weiß, wovon Ihr sprecht.«
»Nur eine Frau, die ihn liebt, die ihm zur Seite steht und sein uneingeschränktes Vertrauen genießt, ist in der Lage, günstig auf ihn einzuwirken.«
»Ich liebe ihn doch und werde ihm zur Seite stehen.« »Ihr werdet mehr als das tun müssen, Nicci, wenn Ihr die Frau sein wollt, die ihn in der erforderlichen Weise beeinflussen kann.« Nicci schielte aus dem Augenwinkel zu ihr hinüber. »Und welcher Einfluss genau wäre Eurer Meinung nach vonnöten?« »Ein Kind bedarf ebenso der Strenge des Vaters wie der feinfühligen Erziehung der Mutter.« Sie hielt ihre beiden ersten Finger fest aneinandergepresst in die Höhe. »Das Männliche und das Weibliche zusammen formen uns, bestimmen uns und weisen uns den Weg. In diesem Fall verhält es sich nicht anders. Ein Mann benötigt das weibliche Element in seinem Leben, um ein wahrer Herrscher zu sein, der die Geschicke der Menschheit lenkt.
Ein mächtiger, aber frauenloser General ist durchaus in der Lage, Schlachten zu schlagen und Kriege zu gewinnen. Jagang ist imstande, jeden zu vernichten, der sich ihm in den
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