Konfessor - 17
Kästchen sind älter als der Garten. Nirgendwo ist die Rede davon, dass sie an einem solchen Ort geöffnet werden müssen, einem Eindämmungsfeld, wie die Schwestern mir erklärten. Des Weiteren erklärten sie mir, wie übrigens auch Sechs, dass der Garten des Lebens einst zwar als just für diesen Vorgang vorgesehenes Eindämmungsfeld errichtet worden sei, die Kästchen trotzdem sehr wohl eben dort geöffnet werden können, wo sie sich befinden.«
Richard maß den vor ihm stehenden Mann mit durchdringendem Blick. »Ohne das besondere Eindämmungsfeld, das der Garten des Lebens bietet, wäre das überaus gefährlich. Irgendein ansonsten folgenloser Fehler könnte zur Vernichtung der Welt des Lebens führen.«
Jagang lächelte ein Lächeln von abgrundtiefer Bosheit. »Diese Welt, dieses Leben, ist nichts weiter als ein Übergang. Worauf es ankommt, ist die Welt danach. Mit der Vernichtung dieser gemeinen, widerlichen Welt, dieses erbärmlichen Daseins, würde man dem Schöpfer einen großen Dienst erweisen, einen Dienst, für den man mit dem ewigen Leben nach dem Tode belohnt wird. Wer sich uns jedoch entgegenstellt, wird für alle Zeiten unter die Finsternis des Hüters fallen. Diese schlechte Welt zu vernichten, um sie so zu retten, wäre eine edelmütige, einer großen Belohnung würdige Tat.
Wie du siehst, Richard Rahl, werde ich in dieser Runde des Ja’La dh Jin so oder so einen Sieg auf ganzer Linie davontragen. Ich biete dir lediglich die Chance zu entscheiden, wie du es enden lassen willst.« Der Wind wehte eine Staubwolke vorüber, während Richard den Mann betrachtete. Aus seinen Studien und Niccis Erklärungen wusste er, dass Jagang nicht bluffte mit seiner Behauptung, die Kästchen auch ohne den Garten des Lebens öffnen zu können. Auch wusste er um die Gefährlichkeit dieses Vorhabens. Leider war er sich ebenso darüber im Klaren, dass man sich im Orden nicht darum scherte, ob dabei alles Leben vernichtet würde. Für diese Leute galt der Tod, nicht das Leben, als das höchste Gut. Selbst wenn es ihnen irgendwie gelänge, Jagang auszuschalten, würde das keinen wirklichen Unterschied bewirken, denn er war nur ein Verfechter dieser Glaubensüberzeugungen, nicht ihr Gestalter.
Die größte Gefahr innerhalb des Ordens ging letztendlich nicht von ihm selbst, sondern von den schändlichen Glaubensüberzeugungen aus, welche die Bruderschaft lehrte. Jagang war lediglich der Rohling, der ihnen Geltung verschaffte.
»Ich denke, eine solche Entscheidung kann ich nicht jetzt sofort treffen.« »Verstehe. Ich werde dir ein wenig Zeit lassen, um darüber nachzudenken, um durch die Flure des Palasts zu schlendern und all den deiner Obhut anvertrauten Frauen und Kindern in die Augen zu sehen.« Richard nickte. »Ich werde darüber nachdenken müssen. Es gibt Vieles zu bedenken, und das kostet Zeit.«
Der Soldat lächelte. »Selbstverständlich. Lass dir Zeit, ich gebe dir zwei Wochen, bis zum Neumond.«
Damit wandte er sich zum Gehen, drehte sich dann aber noch einmal um. »Oh, und noch etwas.« Sein dunkler Blick wanderte zu Nicci. »Als Teil unseres Abkommens wirst du mir Nicci überlassen. Sie gehört mir und muss zurückgegeben werden.«
»Und wenn sie nicht will?«
»Ich habe mich möglicherweise nicht klar ausgedrückt. Was sie will, ist nicht von Belang. Sie muss mir zurückgegeben werden. War das deutlich genug?«
»Ja.«
»Gut.« Er lächelte herablassend. »Damit wäre unsere Unterredung beendet. Du hast für die Übergabe des Palasts - und Niccis - Zeit bis zum Neumond.«
Der Soldat wandte sich herum, als wollte er den Blick über die tief unten lagernde Armee schweifen lassen, ging dann mit steifen Schritten bis zum Rand der Planken und trat ohne ein weiteres Wort hinaus ins Nichts. Er schrie nicht einmal, als er durch die an ihm zerrenden Aufwinde in die Tiefe stürzte.
Jagang wollte, dass Richard begriff, wie wenig er sich um das Leben scherte, und wie leicht es ihm fiel, es zu nehmen. Sofort begannen Verna und Cara verärgerte Einwände und Gegenargumente vorzubringen, doch Richard hob die Hand. »Nicht jetzt. Ich habe etwas zu erledigen.«
Er machte der Brückenbesatzung ein Zeichen. »Zieht die Brücke wieder hoch«, rief er ihnen zu, als sie ihm, bereits auf dem Weg die Straße hinab, entgegenkamen.
Sie salutierten mit einem Faustschlag auf ihr Herz.
53
Im flackernden Schein der Kerzen zeichnete Richard, in tiefe Konzentration versunken, mit dem Finger das nächste Element in den
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