Konfessor - 17
den losen Zügelenden, doch die waren an einem Ast des umgestürzten Stammes festgebunden. Mit ihren von der Kälte tauben Fingern versuchte sie den festen Knoten hektisch nestelnd zu entwirren, doch sie glitten immer wieder am Leder ab. Sie hätte vor Verzweiflung schreien mögen, riss aber immer weiter daran, um den Knoten aufzuziehen. Es schien eine Ewigkeit zu dauern. Kaum hatte sie die Zügel entwirrt, raffte sie sie in einer Hand zusammen. Erst jetzt bemerkte sie nicht weit entfernt den Sattel. Als der Soldat sie erneut anschrie und mit wüsten Beschimpfungen überhäufte, blickte sie auf. Er kam rasch näher. Ihr bliebe nicht annähernd genug Zeit, um das Pferd zu satteln. Neben dem Sattel selbst lehnten Satteltaschen - vermutlich vollgestopft mit Vorräten.
Sie schob ihren Arm unter den flachen Lederstreifen, der die beiden Hälften miteinander verband, und tauchte unter dem Hals des aufgeschreckten Tieres hindurch.
Auf der anderen Seite angekommen, griff sie mit der Hand in seine Mähne und hielt sich daran fest, um sich auf den bloßen Rücken des Tieres zu hieven. Die Satteltaschen waren schwer, und beinahe hätte sie sie fallen lassen, doch sie hielt sich fest und konnte sie hinter sich nach oben ziehen. Das Tier war zwar ungesattelt, trug aber wenigstens sein Zaumzeug. Irgendwo in einem entlegenen Winkel ihres Verstandes vermerkte sie angenehm seine Körperwärme. Sie legte die schweren Satteltaschen vor ihre Beine, quer über den Widerrist des Pferdes. Bestimmt enthielten sie Wasser sowie etwas zu essen, was sie beides dringend benötigte, wenn sie weiter durchhalten wollte. Vermutlich würde es ein langer Ritt werden. Schnaubend warf das Tier den Kopf. Rachel hatte sich selbstredend nicht die Zeit nehmen können, das Tier zuzureiten, wie Chase es ihr beigebracht hatte. Es rechts und links mit den Zügeln bearbeitend, bohrte sie ihm die Fersen in die Rippen. Das Tier, durch seinen neuen Reiter verunsichert, tänzelte zur Seite. Ein Blick über ihre Schulter ergab, dass der Mann sie beinahe eingeholt hatte. Eine Hand fest in die Mähne des Tieres gekrallt, in der anderen die Zügel, beugte sie sich vor und bohrte ihm die Fersen in die Seite, weiter hinten diesmal. Das Tier schoss in vollem Galopp davon.
Einen Fluch ausstoßend, unternahm der Soldat einen ungestümen Versuch, das Zaumzeug zu fassen zu bekommen, doch Rachel verriss die Zügel seitlich, und das Pferd gehorchte. Der Soldat verfehlte sie und landete, unter der Wucht des Aufpralls ächzend, auf dem Boden. Als er die donnernden Hufe plötzlich so dicht vor sich sah, schlug seine Wut um in Angst. Mit einem Aufschrei wälzte er sich zur Seite und entging so dem Niedergetrampelt werden nur um Haaresbreite. Rachel empfand kein Gefühl des Triumphs; das Einzige, was sie spürte, war der Zwang, sich zu beeilen und in südöstlicher Richtung zu fliehen. Das Pferd gehorchte.
Sie lenkte die dahinschießende Stute zum Bachlauf auf der anderen Seite der grasbewachsenen Lichtung. Die Bäume nahmen sie auf, als sie den breiten, flachen Wasserstreifen hinauf jagten. Wasser spritzte auf, das kieselige Geläuf schien der Gangart des Tieres entgegenzukommen. Chase hatte ihr beigebracht, wie man mithilfe von Wasser seine Spuren verbarg.
Jeder Galoppschritt brachte sie einen Schritt näher an ihr Ziel, und nur darauf kam es jetzt an.
7
Als der an den Wagen vorbeigehende Soldat ihnen die hartgekochten Eier zuwarf, versuchte Richard, so viele wie möglich aufzufangen. Nachdem er etliche vom Boden aufgeklaubt und in seiner Armbeuge verstaut hatte, krabbelte er wieder unter den Wagen, um sich vor dem Regen in Sicherheit zu bringen. Als Unterschlupf war es nur ein kalter, jämmerlicher Notbehelf, aber immer noch besser, als im Regen zu hocken.
Kaum hatte er seine Beute an Eiern eingesammelt, huschte auch Johnrock, die Kette hinter sich herschleppend, wieder unter das andere Wagenende.
»Schon wieder Eier«, beschwerte er sich angewidert. »Das ist alles, was sie uns zu essen geben. Eier!«
»Könnte schlimmer sein«, bemerkte Richard.
»Wie denn?« Johnrock schien alles andere als glücklich über seine Kost. Richard wischte die Eier an seiner Hose ab und versuchte, die Schalen so gut es ging vom Schlamm zu befreien. »Sie könnten York an uns verfüttern.«
Johnrock musterte ihn stirnrunzelnd. »York?« »Deinen Mannschaftskameraden, der sich das Bein gebrochen hat«, setzte Richard erklärend hinzu, während er daranging, eines seiner Eier zu pellen.
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