Konigs-Schiessen
Milchwirtschaft, ein bißchen Schweinemast, ein bißchen Futterbau, so was rentiert sich nicht mehr. Das ist falsch heute. Obwohl von der Größe her..«
»Ja?«
»Nun ja, man sagt, ein Hof rentiert sich ab einer Größe von achtzig bis hundert Morgen. Die Verhoevens haben über dreihundert.«
»Und warum klappt das dann so schlecht?«
Bongartz zuckte die Schultern. »Die EG, heißt es. Aber ich glaube, die hängen einfach noch immer an ihren, wie man so schön sagt, alten Strukturen. Da ist schon seit Jahren nicht mehr vernünftig geplant, nicht mehr sinnvoll investiert worden. Der Enkel, der Frank, der hat eine Menge guter Ideen, und wie mir scheint, freundet sich Wilhelm so langsam damit an. Vielleicht kommen die ja doch noch mal auf die Füße.«
Er zog eine Zigarre aus seiner Brusttasche, biß die Spitze ab und spuckte sie ins Gras.
» Der Hein, der hat Glück gehabt, daß er nicht der älteste war und den Hof übernehmen mußte. Hat überhaupt immer Glück gehabt im Leben. Konnte sich früh selbständig machen, hat seine große Liebe geheiratet, die auch noch ein bißchen was an den Füßen hatte. Wohlgeratene, tüchtige Kinder..« er zündete die Zigarre an, »..und dann so ein Ende.«
»Ja, dieses Ende scheint wirklich nicht zu passen.« Toppe rieb sich die Oberarme. »Lassen Sie uns zurückgehen, es wird kühl.«
Bongartz sah über die Ebene hinweg zum Rhein hinüber und stand auf. »Sieht ja harmlos aus, der Fluß, um diese Jahreszeit, nicht wahr? Aber waren Sie schon mal hier, wenn Hochwasser ist?«
»Ja, als Tourist, gewissermaßen. Da fand ich das nur einen faszinierenden Anblick. Mir war gar nicht bewußt, was das für die Bauern bedeutet.«
»Mhm, so geht das vielen. Können Sie sich vorstellen, daß der Kampf mit dem Wasser mehr als tausend Jahre gedauert hat? Meine Eltern und Großeltern, die kannten das noch gut, wenn in Hochwasserzeiten die Kirchenglocke läutete; dann kam der Rhein über unseren Deich, und sie schleppten Bretter, Säcke und Reisig und versuchten, das Schlimmste zu verhindern. Da kämpften sie tagelang, auch die Frauen und Kinder, und beteten, daß das Wasser endlich zurückging. Es ist zwar anders heute, aber irgendwie steckt einem das immer noch in den Knochen. Der Rhein ist unser Meister; wenn er freundlich ist, geht es uns gut. Aber, na ja, für die jungen Leute..«
»Was meinen Sie?«
»Die kennen das doch gar nicht mehr. Die Natur ist gebannt, man kann sie kontrollieren. Da verliert man den Respekt, die Ehrfurcht und, ja, auch die Bescheidenheit. Und der Glaube ist ja heute auch nicht mehr wichtig.«
»Sind Sie gläubig?«
»Natürlich. Das war nie eine Frage für mich. Aber meine Kinder? Da ist nichts mehr und bei meinen Enkeln erst recht nicht. Trost und Zuspruch, den finden die heutzutage im Fernsehen und in ihren Videos.«
»Das bezweifle ich.«
» Gut, vielleicht finden die so was auch überhaupt nirgendwo mehr.«
»Eben. Aber ob die Kirche die Lösung ist?«
Sie überquerten die Landstraße und wichen einem grauen Mercedes aus, der vom Dorf kommend mit rasanter Geschwindigkeit nach rechts Richtung Kleve abbog. Der Fahrer betätigte grüßend die Lichthupe.
»Peter Verhoeven«, knurrte Bongartz, »auch so einer, der nicht mehr weiß, wo er’s herholen soll.«
18
»Goch, das ist überhaupt keine Frage.. Unser Freund kommt aus Goch.«
Heinrichs stand mal wieder sinnierend vor der großen Landkarte.
Widerwillig nahm Breitenegger seine Pfeife aus dem Mund.
»Du phantasierst, Günther, glaub’ mir. Der kann genauso gut aus Kranenburg kommen oder aus Aldekerk oder weiß Gott sonst woher.«
»Jetzt sieh dir das doch wenigstens mal an, Mensch.«
»Mir soll’s ja egal sein, aber du willst doch nicht etwa jeden Motorradbesitzer in Goch überprüfen, nur wegen deiner komischen Fluchtwegtheorie?«
»Genau. In Goch und Umgebung. Soviel Hondas mit dieser Farbe, auf die die Beschreibungen der Zeugen zutreffen, wird es schon nicht geben. Die Zeugen haben uns die Maschine doch ganz gut beschrieben.«
Toppe war vor einer halben Stunde aus Keeken zurückgekommen, saß jetzt in der anderen Ecke des Büros und versuchte, sich auf seine Unterlagen zu konzentrieren. Zum xten Mal hatte er sich die Akten vorgenommen und suchte nach irgendeinem Hinweis, den er vielleicht übersehen haben könnte. Im Augenblick hatte er Astrids Zeugenbefragungen zum Schützenfest vor sich ausgebreitet und war dabei, eine Zeittafel zu erstellen. Bei den Angaben des Pastors stieß er
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