Konigs-Schiessen
beiden Brüder ähnlich, aber trotzdem. Hören Sie mal, den Wilhelm mit seinem Hinken, den kann man doch nicht verwechseln.«
Toppe entschuldigte sich noch einmal für die Störung und verabschiedete sich. Dann stand er auf, ging zum Fenster hinüber, hockte sich auf die Fensterbank und rieb sich ausgiebig das Kinn. Natürlich, das Hinken hatte er nicht bedacht. Aber da fiel ihm Bongartz’ erste Aussage wieder ein. »Fuffzich, sechzich Meter hinter den Verhoevens« war er gewesen, als der Schuß fiel, und »die Alten hatten gut getankt«, »die arme Ingeborg«.
Es gab doch noch eine Möglichkeit.
Er erreichte Bongartz auf seiner Dienststelle.
»Nein, ich habe nicht erkennen können, wer vorne lief, und wer an Ingeborgs Atm hing.«
»Wegen dem Hinken? Ach Gott, so blau, wie die waren. Die sind doch bloß noch getorkelt, alle beide, da war vom Hinken nichts mehr zu sehen.«
»Danke, das war’s eigentlich schon.«
»Mensch, Toppe, Sie denken doch nicht..«
Astrid fragte ihn dasselbe: »Denkst du an eine Verwechslung?«
»Ich weiß noch nicht genau, aber..« Er zog sich einen neuen Aktendeckel vom Stapel.
Astrid nahm ihren Parka vom Garderobenständer und verabschiedete sich. »Ich hab’ mir heute nachmittag freigenommen. Muß dringend in die Stadt, mir ein schwarzes Stretchkleid kaufen.«
»Die wird noch mal richtig Ärger kriegen«, meinte Heinrichs, als sie gegangen war. »Kannst du ihr das nicht klarmachen, Helmut?«
»Ich?«
»Ja, ich meine ja nur, wo ihr euch doch jetzt näher kennt.« Und wenn er nicht so ein netter Mensch gewesen wäre, wäre sein breites Grinsen anzüglicher ausgefallen.
Aber Toppe ärgerte sich nicht, seine Laune war plötzlich viel zu gut. »Soll ich euch was mitbringen? Ich hol’ mir einen Kaffee, und dann gehe ich den ganzen Fall noch einmal durch.«
»Endlich wieder der alte«, grunzte Breitenegger befriedigt, als Toppe pfeifend das Büro verlassen hatte.
19
Er hörte Ackermanns durchdringende Stimme schon, als er noch auf dem Gang war. Eine ganze Kanne Kaffee hatte er sich aus der Kantine geholt, denn sein Tag würde wohl noch lang werden.
Ackermann unterbrach sich mitten im Satz, als Toppe hereinkam: »Mensch, Herr Toppe! Schön, dat ich Sie auch noch treff.«
»Tag, Herr Ackermann. Sie haben sich aber verändert!« Toppe sah ihn verblüfft an. Seit er Ackermann kannte, hatte der immer ungepflegtes, halblanges Haar und einen wirren, langen Bart gehabt. Jetzt saß er da mit einer modischen Kurzhaarfrisur und einem ordentlichen Schnurrbart. Es paßte nicht zu ihm. Er war klein und kauzig, wurde von den Kollegen nur der »Schrat« genannt, hatte eine dicke, schwere Brille, die ihm immer auf die Nase rutschte, und schlechte Zähne.
»Ja«, rief Ackermann lachend, »mein Chef hat gemeint, ich müßt’ wat hermachen, wenn ich inne Zone fahr’. Da mußt ich meine Lockenpracht opfern. Wächst aber schon wieder.«
Toppe nickte. Ihm hatte der alte Ackermann auch besser gefallen.
»Und wie war’ s in den FNBL?«
»In den wat?« »In den fünf neuen Bundesländern, abgekürzt FNBL.«
»So heißt dat jetz’? Na, wat en Fortschritt! Aber hier, Chef, ich hab’ Ihnen auch wat mitgebracht.«
Er drückte ihm eine Flasche Korn in die Hand. »Noko heißt der da drüben. Zieht einem echt die Buxe in den Hintern. Wenn de davon drei Flaschen auf einmal kaufst, krisse en Blindenhund gratis dabei. Los, probieren Se ma’ einen.«
Toppe lachte, hob aber abwehrend die Hand. »Heute abend bestimmt, jetzt muß ich noch was tun.«
»Ach ja, hab’ ich mir schon erzählen lassen. Is’ immer noch nix raus bei dem Mord. Ich versteh’ et ja nich’. Ausgerechnet den Hein erwischt et, nee, nee, wenn’t der Wilhelm gewesen war’, dat hätt’ man ja irgendwie noch kapieren können, aber der Hein, nee, nee …«
Toppe sagte nichts dazu, aber er sah ihn nachdenklich an.
Ackermann sprang sofort auf.
»Nee, is’ schon klar, Chef. Ich halt Sie bloß auf. Wollt’ ja auch nur ebkes,Hallo’ sagen. Und wenn Se mich brauchen, wie gesacht..«
Um zwanzig nach sieben steckte Astrid den Kopf zur Tür rein. »Darf ich eintreten? Hab’ noch Licht gesehen, als ich vorbei führ.«
Die anderen hatten pünktlich das Büro verlassen, schließlich war Freitag, und Toppe mit seinen Unterlagen und Gedanken allein gelassen.
Sie blieb unschlüssig vor seinem Schreibtisch stehen. »Kann ich dir helfen? Ich hab’ die ganze Zeit über die Verwechslung nachgedacht. Irgendwie paßt das alles viel
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