Konigs-Schiessen
hielt lange Monologe über berufstätige Mütter und verwahrloste Kinder, mangelnde Fürsorge, Jugendkriminalität und die steigende Selbstmordrate bei Jungen im Grundschulalter. Auf Gabis recht zaghafte Einwände hin wechselte sie nur bedeutungsschwere Blicke mit ihrem Ehemann, der sich nur ein »jo, jo, et es all wat«, abrang.
Konnte Toppe sich auch mittlerweile gut zusammenreißen, wenn es gegen ihn ging, und seinen Mund zumindest so lange halten, bis er zu Hause war, so war es ihm doch unerträglich, wie Gabi sich runtermachen ließ und sich das dumme Geschwätz auch noch zu Herzen zu nehmen schien.
Und so endete der,Anstandsbesuch’ mit einer wenig anständigen Szene, in der er seiner Schwiegermutter brüllend seine Meinung sagte und ihr schwor, dieses Haus nie mehr zu betreten.
Gabi stürzte zu Hause gleich die Treppe hinauf und schloß sich im Bad ein, nicht ohne ihm vorher noch zu sagen, er sei schuld daran, daß jetzt allen, auch ihr, das Weihnachtsfest verdorben sei, und nie könne er sich zusammenreißen. Zum hundertsten Mal verfluchte er, daß er das Grundstücksgeschenk angenommen und ihr Haus direkt neben dem seiner Schwiegereltern gebaut hatte.
Die Jungen hatten sich vor den Fernseher gehockt. Er ging zu ihnen hinüber und strich ihnen über den Kopf. »Scheiß Spiel«, sagte er, aber Christian zuckte nur kurz mit den Schultern, ohne den Blick vom Bildschirm abzuwenden, und Oliver rührte sich gar nicht. Er zügelte den plötzlichen Drang, einfach rauszugehen, sich ins Auto zu setzen und wegzufahren. Stattdessen stieg er die Treppe hinauf und klopfte an die Badezimmertür. »Komm, mach auf.«
»Laß mich!« Sie heulte. Er redete beruhigend auf sie ein, bis sie ihm schließlich öffnete. Als er sie in den Armen hielt, fühlte er nichts als Hilflosigkeit.
20
Natürlich wartete Ackermann, neugierig und eifrig, schon seit einer halben Stunde, als Toppe um kurz nach acht ankam. Er versuchte ein bißchen über Alltäglichkeiten zu schwätzen, merkte aber schnell, daß Toppe nicht in der Stimmung war. »Is’ Ihnen ’ne Laus über die Leber gelaufen?«
»Mehrere«, antwortete Toppe einsilbig und studierte die Speisekarte.
Ackermann sah ihn treuherzig über den Rand seiner dicken Brillengläser hinweg an. »Manchmal is’ dat Leben ganz schön bescheiden, wa? Aber, glauben Se mir, et kommen auch ma’ wieder bessere Zeiten. Muß man sich immer vor Augen halten.« Dann schob er mit dem Zeigefinger die Brille hoch. »Nehmen Sie den gemischten Grillteller, der is’ lecker, un’ da is’ alles drauf, wat die Küche zu bieten hat.«
»Gut. Und ein großes Bier.«
Toppe sammelte seine Gedanken zum Fall langsam ein, stellte ein paar Fragen, und als die Grillteller kamen, waren sie schon mitten im Gespräch.
»Der Peter Verhoeven hätt’ den Hof schon längst übernehmen müssen, aber der Wilhelm läßt sich da auf gar nix ein. Dat is’ auch kein Wunder, wenn Se mich fragen.«
»Wieso?«
»Na, der Peter, dat is’ doch ’n Spieler, wie er im Buch steht. Wenn ich dat Geld hätt’, wat der schon verspielt hat, wär’ ich Millionär.«
»Ach, kommen Sie, soviel wirft doch der Hof nicht ab.«
»Dat nich’, aber manchma’ gewinnt man ja auch ma’ wat. Un wenn man dat mitrechnet. Ich sach’ et Ihnen!«
»Und wo spielt der?«
»Meist in Holland inne Spielbank, aber er tut sich auch gern dicke mit Pokerrunde in Duisburg un’ so. Gen Tänd in de mull, mar,La Paloma’ fleute. Lauter feine Herrn, sacht er, mit denen er da spielt. Mögen Sie Oliven?« Er wartete Toppes Antwort gar nicht ab, sondern balancierte mit der Gabel jede seiner fünf Oliven einzeln auf Toppes Teller hinüber. Toppe bedankte sich.
»Jedenfalls hat et in der Familie ewig Streit wegen de Spielerei gegeben un’ wegen de Schulden. Un’ dies’
Jahr, da is’ dem Peter wohl ma’ richtich die Luft ausgegangen, und da hat der Alte, der Wilhelm, die Mühle verkauft.«
»Welche Mühle?« Toppe fand keinen Zusammenhang. »Na, die Mühle in Keeken«, antwortete Ackermann mit vollem Mund. »Also mit Oliven können Se mich jagen, auch mit diesen kleinen grünen Dingern, wie heißen die noch, Kapern, mit denen hab’ ich et auch nich’ so. Aber sonst hab’ ich nix gegen ab und zu ma’ wat Fremdländisches. So Gyros oder ma’ ’ne Pizza zwischendurch is doch wat Feines. Also, ich mein’ die Mühle in Keeken, wo jetzt die Gecken drin sind, die gehörte zum Verhoevenhof. Die hat Wilhelm verkaufen müssen, um die Spielschulden
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