Konigs-Schiessen
immer von einer unbestimmten Melancholie überfallen. Die,Gute Hoffnungsbrücke’ machte ihrem Namen auch heute wieder alle Ehre. Dicht an dicht lagen hier Chemie und Stahlwerke, dazwischengestreut graue Wohnblocks, Siedlungshäuschen und sogar ein Bauernhof mit Kühen auf der Weide. Aus einem schmalen Metallschornstein wehte eine dünne giftgelbe Rauchfahne. Man brauchte schon eine Menge guter Hoffnung, wenn man hier zwischen all den Schloten und Schlackebergen lebte.
Hinter dem Rasthof Hünxe begann so langsam der Niederrhein, das Gras auf den Weiden verlor allmählich seinen Grauschleier, und Toppe hatte das Gefühl, er könne jetzt endlich wieder richtig Luft holen.
Mit den Kollegen in s’Heerenberg hatte er vor ein paar Jahren schon einmal zu tun gehabt. Sie waren genauso hilfsbereit wie die Rijkspolitie und die Recherche in Nijmegen, mit denen er häufig zusammenarbeitete. Gerade hier im Grenzgebiet war der kurze, informelle Draht zueinander wichtig. Viele Fälle waren grenzüberschreitend, und wenn man die offiziellen Dienstwege beschritt, gar INTERPOL einschaltete, dauerte alles viel zu lange.
Er stellte das Auto auf dem rotgepflasterten Marktplatz ab und genoß erst einmal die Ruhe. Hier gab es nicht diesen ganzen Weihnachtsrummel, der ihn in Duisburg überfallen hatte. Die Niederländer hatten ihren,Sinte Klaas’, ihr Fest der großen Geschenke, schon hinter sich, und Weihnachten wurde kaum noch gefeiert.
Henk de Gruyter brachte sofort koffie mit einem kookje und ließ sich zu einem gemütlichen Gespräch nieder.
Die Spielbank zog eine Menge Deutscher aus dem Grenzgebiet an; ausnahmsweise war man froh darüber, denn die Spielbank war die Haupteinnahmequelle des Ortes. Es gab zwei Roulettetische, aber Baccara und Poker wurden auch gespielt. Wenn Toppe wollte, dann könnten sie später zusammen hingehen; ab 18 Uhr war geöffnet. Bis dahin – de Gruyter erinnerte sich wohl an Toppes frühere Vorliebe für reichhaltiges Essen – der neue Chinese gegenüber hatte eine ganz erstklassige Indonesische Reistafel und deutsches Bier.
Toppe schwankte. Er hatte Gabi versprochen, heute endlich ganz bestimmt den Tannenbaum zu besorgen. Henk de Gruyter fragte nicht weiter. » Wann du mich sagst, was an die Hand ist, kann ich das schon allein machen.«
»Das kann ich doch nicht verlangen..«
»Das tust du toch nicht.«
Toppe erzählte so viel von dem Fall, wie nötig war, und sie vereinbarten, daß er de Gruyters Befragungsergebnisse morgen früh selbst abholen würde. Das traf sich gar nicht so schlecht, fand Toppe, denn morgen war hier Fischmarkt. Seit es in Kleve kein richtiges Fischgeschäft mehr gab, mußte man den weiten Weg nach s’Heerenberg auf sich nehmen, wenn man frischen Fisch und anderes Meeresgetier in vernünftiger Auswahl und Qualität haben wollte.
So würde er also zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.
Vielleicht konnte er Gabi überreden, an Heiligabend vom schwiegermütterlichen Kaninchenbraten Abstand zu nehmen.
Zu seiner Überraschung war Breitenegger im Büro.
»Habt ihr euch jetzt endgültig entzweit, Heinrich und du?«
»Ach was. Ich komme gerade aus Hamminkeln. Da hatten wir einen neuen Überfall. Walter ist mit Astrid in Goch.«
»Macht die jetzt auch bei euch mit?«
»Sieht so aus. Der Stasi macht richtig Dampf jetzt. Hat wohl von irgendwem Druck gekriegt. Er will dich übrigens sprechen.«
»Ich habe mich schon gewundert, daß der sich so lange ruhig hält. Aber jetzt rauch’ ich mir erst einmal eine.«
Zum ersten Mal bot ihm Siegelkötter einen Platz an. Er sah so aus, als hätte er sich diesmal eine längere Gardinenpredigt vorgenommen, aber er kam ohne Umschweife zur Sache: »Um es kurz zu machen, Herr Toppe, wir legen Ihren Fall zu den Akten.«
»Wie bitte?« Er mußte sich verhört haben. Aber Siegelkötter schob ihm die ganze, inzwischen recht umfangreiche Verhoevenakte herüber.
»Seit drei Monaten arbeiten Sie ausschließlich an diesem Fall, und ich muß Ihnen sagen, das Ergebnis ist mehr als dürftig.«
»Das mag Ihnen so vorkommen, Herr Siegelkötter, aber ich bin da ganz anderer Ansicht, und ich denke nicht daran, einen Fall so einfach ungeklärt zu den Akten zu legen.«
»Ich verstehe durchaus, daß gerade Ihnen das gegen den Strich geht..«
»Wenn Sie meine letzten Berichte gelesen haben, dann wissen Sie, daß es einen neuen Ansatzpunkt gibt..«
»Ich bin froh, daß Sie dieses Thema selbst ansprechen, Herr Toppe. Ich kann beim besten Willen keinen,
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