Konny Reimann
würde, der sie pusht. Bei allen gemeinsamen Aktionen mit all dem Unfug, den wir zusammen ausgelebt hatten, kam ich mir doch immer vor wie das i-Tüpfelchen-Männchen. Derjenige, der bei den unmöglichen Dingen noch sagt: Klar schaffen und machen wir das; sieh mir zu, ich probier das jetzt mal gleich. Auch im alltäglichen Leben haben alle davon was mitgenommen, und ein paar meiner Kumpels sagten dann: „Wenn Konny das kann, kann ich das auch.“ So manche Hürde wurde auf diese Art von meinen Freunden und mir überwunden.
Auch meinem Bruder gegenüber erwähnte ich unseren Plan nur beiläufig am Telefon, keine große Sache. Er war komische Aktionen von mir ohnehin gewohnt und zeigte sich wenig überrascht. Zudem trug er sich damals ebenfalls mit Auswanderungsgedanken. Aber das ist eine andere Geschichte.
5. AUSWANDERN
ir sind ausgewandert wie Leute vor zweihundert Jahren. Es gab nur einen Plan: weg. Es gab nur eine Stoßrichtung: Amerika. Es gab nur eine Gewissheit: Es gibt kein Zurück. Wir wussten, es warten viel Arbeit und einiges an Geduld und Lernbereitschaft auf uns. Wir wussten, wir hatten weder eine Unterkunft noch einen Freundes-, Bekannten- oder Verwandtenkreis, der auf uns wartete. Wie vor zweihundert Jahren. Während jedoch viele Jahrzehnte vor uns die Menschen oft genug mit dem Mut der Verzweiflung über den großen Teich zogen, war es bei uns der Mut allein, vielleicht gepaart mit einem guten Schuss Abenteuerlust.
Und obwohl wir das erwähnte kleine Geldpolster hatten, blieb das Kribbeln im Bauch dennoch bis in die ersten Tage und Wochen hinein. Schließlich hatte niemand von uns auch nur 14 Monate vorher noch an eine derartige Entwicklung geglaubt.
Am 7. Juli 2004 nahmen wir das erste Flugzeug, das wir kriegen konnten. Frühmorgens. Wir wollten den Abschied von dem schönen Haus so kurz wie möglich halten. Schon vorher hatten wir eine große Auswanderungszeremonie vermieden. Keine großen Gesten, Geschenke oder Abschiedsreden mit Tränen. Kurz und knackig, ab ins Flugzeug und weg. Zudem überstrahlte unsere Neugier die schönen Gedanken an das Bisherige bei Weitem. Lediglich Manu und Janina hatten vor der Abreise noch ihre besten Freundinnen getroffen. Manu hatte sich ein paar Tage vorher auf einem Schiff im Hamburger Hafen mit ihrer Freundin Uta verabredet, Janina konnte passgenau noch ihre engste Freundin Maureen treffen, die gerade einen Tag vor unserem Verschwinden von einem Jahr Malaysia wiederkam. Nicht eben außerordentlich viel Zeit, um Vergangenes und Zukünftiges umfassend zu besprechen. Die beiden mussten im Schnelldurchlauf alles abhaken und hoffen, dass auch der Aufbruch nach Amerika ihrer engen Bindung nichts anhaben könnte, denn mehr Abschied, und in Janinas speziellem Fall mehr Festhalten, gab es nicht. Köpper ins neue Leben. Klappe, neue Szene. Lediglich ich sollte noch ein letztes Mal in Schenefeld erscheinen, aber das ist eine andere Geschichte, zu der ich noch kommen werde.
Die ganze Vorbereitung, die Organisation, alle Planungen bis dahin, der ganze Stress fielen von uns ab, als wir im Flugzeug saßen. Der Moment, in dem alles zu spät und nichts mehr rückgängig zu machen war und gleichzeitig nichts schnell genug gehen konnte. Manu, die unter Flugangst leidet, schaffte es ohne große Schwierigkeiten, den langen Flug zu überstehen. Vielleicht war es die Aufregung, die dieses Mal größer war als sonst, vielleicht die Gedanken an alles, was kommen würde. Vielleicht aber auch einfach nur Tapferkeit! Eine eigentlich banale, aber eben doch große Hürde war also schon mal meisterhaft überwunden.
iner der Knotenpunkte unserer Auswanderung und, wie sich herausstellen sollte, unseres Lebens, war jedoch schon der Tag vor dem Flug in das neue Leben. Der Fernsehsender RTL suchte damals seit einiger Zeit ein paar mutige deutsche Auswanderer, die ihr bisheriges Leben hinter sich lassen und ins Ungewisse aufbrechen wollten. Mit einem Satz: Sie suchten uns. Dass sie uns auch fanden, war vielleicht einer dieser Zufälle, die es manchmal braucht. Manu hatte erst ein oder zwei Tage vorher in einem Internet-Forum von der Suche erfahren und mir gesagt, sie würde gerne das Fernsehteam kontaktieren, um den Einstieg ins Neue zu dokumentieren. Natürlich war ich erst etwas entsetzt und skeptisch, willigte schließlich aber ein, als Manu argumentierte, es wäre nicht zuletzt für die Kinder schön, später eine professionell gefilmte Erinnerung an diese
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