Konny Reimann
konnte schon wissen, ob wir nicht an der Green-Card-Verlosung teilgenommen hatten wie jemand, der bei einem Preisausschreiben für einen Tuschkasten mitmacht? Vielleicht tauchen hier im Konsulat alle naselang Leute auf, die eine Green Card als eine andere Art von Amerika-Urlaub ansehen.
Dann aber schlug Manus große Stunde. Die Frage nach dem Verkauf des Hauses konterte sie lässig, aber bestimmt: „Ja, aber erst in ein paar Jahren, wenn wir ganz sicher wissen, dass wir in den USA bleiben wollen.“
Das Gesicht der Konsulin entspannte sich. Das war exakt die Antwort, die sie hören wollte. Puh, keine Scharlatane. Und wir: Puh, kein Stress,
keine Umwege und auch keine Schwierigkeiten. Das Verhör war überstanden. Die Antwort hätte natürlich auch genauso gut erstunken und erlogen sein können, aber Manu war ehrlich, und das sah man ihr an. Hier wollte niemand seine zwei Kinder und einen Mann mit in ein lustiges Abenteuer nehmen, ohne zu wissen, ob morgen Dienstag oder Mittwoch ist. Familie Reimann bekam den Segen. Was die Frau nicht wusste, war, dass unser Auswandern für uns sehr wohl ein Abenteuer war, kein kühl kalkulierter Karrieresprung, mit mehr Ungewissheit, als uns selbst vielleicht lieb war. Aber anscheinend vertraute sie uns. Das wiederum tat sie zu Recht, denn hätte sie mich auch zu Wort kommen lassen, wäre ihr schnell klar geworden, dass sich Amerika den Richtigen ausgesucht hatte. Ich bin schließlich, frei nach Werner Brösel, der Meister! Wir wandern aus und basta. Nicht nachdenken – machen! Na ja, vielleicht war es ganz gut, dass Manu die Green Card gewonnen hat.
Frau Konsul sagte uns dann noch, dass unsere Visa per Post kommen würden, und ob wir noch Fragen hätten? Ich hatte keine, höchstens, ob man im Konsulat laut jubeln darf? Aber Manu erkundigte sich klugerweise, ob denn nun alles okay sei und ob wir jetzt unsere Green Card auch wirklich und sicher erhalten würden. Die Konsulin bejahte, und wir fragten sie noch nach der Frau aus dem Konsulat, die Manu bei der Vorbereitung auf den Termin so viel geholfen hatte. Die Dame wurde geholt, und wir bedankten uns ausführlich bei ihr. Sie hat später auch noch nette Kommentare in unserem Online-Gästebuch hinterlassen. Wir waren wirklich mehr als dankbar, dass sie sich so um uns gekümmert hatte. Um 9:30 Uhr war der Spuk vorbei, wir standen vor dem Konsulat, strahlten wie Kessler-Vierlinge und waren durch. Durch den Parcours und durch mit den Nerven.
ir haben Deutschland ohne Pläne, ohne große Gedanken an die Zukunft, ohne Job und ohne eine feste, dauerhafte Unterkunft, die auf uns warten würde, verlassen. Wir hatten nur diese Wagenladung voller Mut und den unbedingten Willen, nicht unterzugehen. Kurz vor der Ausreise nahmen wir Englisch-Privatunterricht, vorher war einfach nie Zeit dafür gewesen. Denn so ganz wollten wir uns dann doch nicht auf unsere Grundkenntnisse verlassen, vielleicht aber auch einfach unser Gewissen beruhigen. Die Vorbereitungen sollten schließlich auf allen Ebenen solide laufen. Aber auch die paar Stunden haben am Ende nicht viel gebracht. Was nicht an unserem durchaus fähigen Lehrer Steve lag, der sich alle Mühe gab, aus unseren geringen Sprachkenntnissen Schuhe zu bauen, mit denen wir im amerikanischen Alltag nicht stolpern würden. Am Ende war die Zeit aber zu knapp, und Manu und ich waren mit unseren Gedanken schon ganz woanders, längst dort, wo wir die Kenntnisse würden anwenden müssen. Steve hatte aber noch einen ganz anderen Nutzen: Er führte wichtige Telefonate für uns, die bei der Verschiffung von Papagei Erwin anfielen und die wir nie hätten alleine bestreiten können. Vielleicht wäre Erwin jetzt irgendwo in Toronto oder Singapur oder schlicht zu Hause geblieben, wenn Steve nicht gewesen wäre. Aber das ist eine andere Geschichte. Im Zuge dieser Hilfsaktionen hat er auch gleich noch mit uns Telefonieren auf Englisch geübt; so etwas wie ein verbales Schweizer Taschenmesser für uns. Auch wenn es sich später nicht so schnell vollständig aufklappen ließ.
Sowohl Manu als auch ich haben bis kurz vor der Ausreise gearbeitet. Manu war damals Supervisor bei einem Arzneimittelhersteller. Es war relativ klar, dass sie in diesem Job in Zukunft nicht mehr arbeiten könnte, denn Gainesville ist nicht Hamburg und hat nicht entsprechend viele Angebote. Dass auch ihr künftiges Arbeitsleben sie an sehr unterschiedliche Orte führen würde, konnte sie damals noch nicht wissen. Zudem
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