Konny Reimann
entscheidenden Stunden zu haben.
Am Tag vor unserem Flug kam also ein Redakteur mit Kamera-Team zu uns nach Hause und führte zunächst ein sogenanntes Casting durch, also ein gefilmtes Interview mit uns, bei dem herauskommen sollte, was wir vorhaben, wer und wie wir in etwa sind. Zudem filmten sie die letzten Stunden in Hamburg, unsere Aufregung und die finalen Handgriffe vor dem Aufbruch. Dass die Fernsehleute uns nicht nur schon am Nachmittag vor der Abreise, sondern auch auf dem Flug begleiten würden, war mir da noch nicht klar. Erst in der Maschine von Hamburg nach Frankfurt offenbarte mir Manu, dass ein anderes RTL-Team am Flughafen in Frankfurt auf uns warten würde, um mit uns nach Amerika zu fliegen. Aber diese eigentlich gewichtige Änderung konnte mir nichts mehr anhaben, ich hatte andere Gedanken und nur noch unser Ziel im Kopf. Wie ich das meiste in meinem Leben eher leicht und locker nehme und versuche, aus nichts ein großes Drama zu machen, nahm ich auch die Tatsache, dass wir in Amerika gleich vom ersten Moment an gefilmt werden würden, auf die leichte Schulter. Es tangierte mich nicht, schien mir an diesem Punkt unserer Reise fast eher nebensächlich. Letztlich bin ich natürlich mehr als froh, hier nicht interveniert zu haben. Denn so lernten wir Dagmar Vetter kennen. Vielleicht eine der wichtigsten Bekanntschaften auf unserem immer noch andauernden Trip. Sie kam mit einem Kameramann und einem Assistenten zum Flughafen, und es fühlte sich eigentlich von der ersten Minute an gut an. Auch als sie später anfingen, uns in Amerika zu filmen, merkte man, dass sie sich alle drei Mühe gaben und nicht nur irgendeinen Bericht abliefern wollten.
Dagmar selbst erzählte später einmal, dass ihr erster Gedanke eine Art „Ach, du meine Güte“ gewesen war. Sie sah uns, vor allem mich mit meinem Cowboyhut und den Cowboystiefeln, und war etwas verwirrt. Dieser Freak wollte auswandern? Der sieht doch jetzt schon aus, als käme er aus Dallas, und nicht als würde er erst noch dahin wollen. Später merkte sie, dass ich zwar ungewöhnlich aussehe, aber, na ja gut, eigentlich auch etwas ungewöhnlich bin. Aber trotzdem seriös. Wenn ich etwas mache, mache ich das ganz. Dagmar hat uns fortan nicht nur begleitet und eine sehr schöne Reportage daraus gemacht, sie hat damit auch eine Lawine in Gang getreten, auf deren Spitze wir heute immer noch segeln.
Schon ein paar Stunden später erfuhr ich, was es heißt, von einem Filmteam begleitet zu werden. Der Pilot der Maschine nach Dallas kündigte den Passagieren, neben den üblichen Flug-Formalitäten, auch uns und die Fernsehleute an. Er sagte, es solle sich niemand wundern, dass in der Maschine gefilmt würde, es befänden sich Auswanderer an Bord, deren Reise dokumentiert wird. Aber allein diese Ankündigung setzte unsere Lok schon auf neue Gleise. Die Cousine meines späteren ersten Chefs Robin Wilson war mit in diesem Flugzeug und hatte sehr wohl gehört, was der Steuermann gesagt hatte. Ich kam gerade von der Bord-Toilette, als sie mir ihre Hand entgegenstreckte, sich vorstellte und sagte, ihr Onkel könne jemanden wie mich in seinem Betrieb gut gebrauchen. Viel verdutzter als ich in diesem Moment kann man wohl nicht ausgesehen haben. Ich hatte quasi schon vor der Ankunft einen Job. Unsere Überlegungen vor der Auswanderung waren dahin gegangen, dass wir uns im ersten Jahr lediglich akklimatisieren wollten, weil wir wussten, dass wir diese Zeit über auch ohne Job und neue Einkünfte würden überleben können, ohne finanzielle Sorgen zu haben. Danach sollte wenn möglich eine Beschäftigung folgen, die Geld ins Haus bringt. Und nun schien es, als wäre ein Job in Aussicht, bevor ich überhaupt einen Fuß auf amerikanischen Boden gesetzt hatte. Amerika war mir schon vor der Landung äußerst sympathisch. Hätten Wilsons Cousine und ich in die Zukunft schauen können, hätten wir gesehen, dass die Ansage des Piloten und ihre darauffolgende Kontaktaufnahme vor der Toilette 10.000 Meter über dem Ozean unserer Familie viel später zudem noch ein ganz ureigenes amerikanisches Fahrzeug bescheren sollte. Aber das ist eine andere Geschichte, die ich an anderer Stelle erzählen werde.
obin Wilson war schließlich am Flughafen in Dallas, um seine Cousine abzuholen, und wir wurden miteinander bekannt gemacht. Besser hätten die ersten Schritte auf dem Mond nicht laufen können. Aber nach Gipfeln kommen auch immer wieder Täler, und unser erstes
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