Konny Reimann
nicht. Zu klein, zu teuer, zu schlecht gelegen, zu hässlich etc. pp. Bei den meisten hatten wir zudem sehr schnell den Eindruck, dass sie nur für die Präsentation zurechtgemacht worden waren, hinter einer mühselig zusammengehaltenen Fassade aber nicht viel zu bieten hatten. Wir kamen am Ende noch mal zurück zu unserem ersten Treffpunkt und den beiden Häusern dort, und spätestens in jenen Minuten hatten wir unsere Entscheidung getroffen.
Der große Haken, den es bei allem immer gibt, war in diesem Fall jedoch der Preis. 180.000,– US-Dollar sollte der Spaß kosten, eine Summe, die wir nur schwer mit der rationalen Seite unseres Gehirns in Einklang bringen konnten. Doch Rita versicherte uns, dass die Eigentümer durchaus bereit wären, den Preis zu senken, wenn es sein musste, sogar drastisch. Also war erst einmal Warten angesagt. Gott sei Dank bestand, bei aller Liebe zu dem Gesehenen, keine Hast und kein Zwang, umzuziehen oder schnell zu handeln, und zum Glück schienen andere Interessenten ebenfalls nicht in Sicht. Letztlich zahlte sich die Geduld aus: Der alte Eigentümer überließ uns das „Anwesen“ für einen Kaufpreis von 140.000,– Dollar. Heute wissen wir, dass wir zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren, denn gerade in jüngerer Zeit sind die Begehrlichkeiten der Menschen, am Moss Lake zu wohnen, enorm gestiegen. Auf einmal scheinen Hinz und Kunz dieses versteckte Wässerchen entdeckt zu haben. Heutzutage würden wir wohl nicht mehr mit einem so niedrigen Grundstückspreis davonkommen. Viel Geld war es natürlich trotzdem, allerdings muss man dazusagen: Ich ahnte, dass die Kos-ten für den Umbau, der andere Leute ein kleines Vermögen gekostet hätte, sich überschaubar halten ließen. Ich wusste sofort, was hier zu tun war, und auch, dass ich es alleine würde umsetzen können. Statt Tausenden von Dollar kamen also „lediglich“ viele Tausende Stunden Arbeit dazu. Doch Arbeit erfüllt mich seit jeher wie andere ein Einkaufsbummel. Ich hatte nie Schwierigkeiten damit, hart zu arbeiten, um mir die Umgebung für mein Traumleben selbst zu zimmern. Der Weg ist das Ziel, und er darf gerne steinig sein.
etztlich sollten der See und seine angrenzenden Bewohner uns aber auch eine ganze Menge Geschichten und neue Gesichter bescheren. Der Zufall mit Janinas Freundin und die Tatsache, dass ausgerechnet ide Frau dort wohnte, die unsere Vermittlerin in Wohnungsfragen war, stellten da nur den Anfang dar. Eine von Manus Arbeitskolleginnen war Terry. Während Terry bei WinStar arbeitete, verbrachte ihr Mann, ein Trucker, die meiste Zeit des Jahres auf den Straßen, den Highways und Freeways des Landes. Sein Zuhause war im Grunde sein riesiges Gefährt, mit dem er Waren von A nach B transportierte. Ab und an kam er zurück zu seiner Frau, zurück an den Moss Lake in Texas, wo die beiden wohnten. Terry war es jedoch irgendwann leid, immer nur auf ihren Mann zu warten. Sie hatte zwar einen Job und ein gutes Leben, aber der größte Teil davon fuhr Güter durchs Land und schlief abends in einer Koje, statt neben ihr in einem Bett in ihrem Haus. Um an dieser Tatsache etwas zu ändern, wären wahrscheinlich die meisten Menschen auf die Idee kommen, dass der Mann in dieser Partnerschaft sich besser eine Arbeitsstelle in der Nähe seiner Frau und seines Wohnortes suchen sollte, an einem festen Standort. Nicht so bei Terry und ihrem Mann, die sprichwörtlich in die genau entgegengesetzte Richtung aufbrachen. Sie kündigte kurzerhand ihren Job, verkaufte das Haus und zog zu ihrem Mann in den LKW. Sie tauschte ein geräumiges Haus an einem schönen Stück Wasser gegen eine Kabine von der Größe eines Doppelbetts. Fortan lebten beide „on the road“. Es hört sich an wie eine von diesen „... und wenn sie nicht gestorben sind“-Geschichten, aber es ist wahr.
Selbst wir wurden noch in Terrys Story einbezogen. Die Truckerfrau hatte Monate vorher Jason seinen ersten Job verschafft. Er sollte bei ihr im Garten den Rasen mähen. Jason kam und mähte, Terry erschien weiter bei der Arbeit im Kasino, bis sie den Entschluss fasste, fortan im Lastkraftwagen ihres Mannes zu leben. Im Zuge dieses Umzugs wollte Terry auch allerlei Krempel loswerden, den sie künftig definitiv nicht mehr würde brauchen können. Darunter war auch ein Kanu, wovon wiederum Manu Wind bekam. Kanu, Manu, für mich war alles klar. Als ich von dem überflüssig werdenden schmalen Boot hörte, musste ich es haben. So entführten wir
Weitere Kostenlose Bücher