Konny Reimann
wichtigsten Tage des Jahres, denn am Independence Day haben die USA Geburtstag. Ich kenne die Geschichte dieses Brauchs nicht in allen Einzelheiten, aber da Freiheit und Unabhängigkeit gefeiert wurden, hatten die amerikanischen Männer und Frauen in uns schon mal vier neue Verbündete.
Während des Sommers 2005 und bis in den Herbst hinein fuhren wir schon oft zu dem Grundstück am Moss Lake, saßen unten am Steg und spannen herum, was man dort alles würde machen können. Uns gehörten die Häuser und der Grund und Boden noch nicht, aber irgendwie war es klar, dass es darauf hinauslaufen würde. Außerdem wohnte auch sonst niemand dort, keinen störte es, ob wir da herumliefen und Duzfreunde mit dem See wurden oder nicht. Wir fühlten uns sehr schnell sehr wohl dort, und als wir im Herbst den Vertrag unterschrieben, waren wir innerlich eigentlich schon lange umgezogen.
Die Finanzierung lief allerdings in einem wesentlichen Punkt anders als bei all unseren bisherigen Unternehmungen. Wir konnten das Grundstück nicht einfach aus eigener Tasche bezahlen. Manu war nicht wirklich wohl bei der Sache, ein derartiges ökonomisches Wagnis waren wir vorher noch nie eingegangen. „Das ist aber viel Arbeit und wird finanziell tierisch eng“, meinte sie. Aber ich zerstreute ihre Bedenken mit meiner Begeisterung und einem Plan, wie wir das Ganze bezahlen könnten. Trotz aller Bauchschmerzen, ob und wie wir die Sache finanziell wuppen würden, schlug Manus Herz natürlich auch schon nach wenigen Stunden für den Hang und die Häuser, die Steintreppe und den Bootssteg des Moss Lake. Nur ein Mensch mit faustgroßen Tomaten auf den Augen hätte sich nicht sofort in dieses Fleckchen Erde verliebt.
Im Juli 2005 schafften wir uns Hühner an, die wir zunächst im Garten des Hauses in Gainesville unterbrachten. Vielleicht ahnten wir damals schon, dass sie bald umziehen und der Grundstein für eine Art kleinen Bauernhof im oberen Teil des Grundstücks werden würden. Zwei Jahre später sollten sie zudem in ihrem Stall einen Mitbewohner bekommen, von dem aber auch wir zu diesem Zeitpunkt noch nichts ahnten. Für eine ordentliche WG war der kommende Insasse, so viel sei vorweggenommen, nicht der richtige Kandidat. Aber das ...
m 10. September 2005 passierte etwas, womit ich schon lange gerechnet hatte: Ich wurde fünfzig. Da ich aber schließlich vorhabe, 123 zu werden, ist das für mich nur eine von vielen Zahlen. Ich habe weder Angst vorm Alter, noch bin ich stolz darauf, die Fünfzig geschafft zu haben. Dementsprechend gab es auch keine große Party. Wir feiern ohnehin das ganze Jahr über schon oft genug, Anlässe finden sich ja immer.
Von RTL bekam ich einen großen blau-weiß gestreiften Strandkorb, der noch heute vor unserer Trailertür steht.
Einen Monat später feierte auch eines unserer Kinder einen ganz persönlichen Unabhängigkeitstag, die Freiheit wuchs, die Grenzen wurden weiter: Janina bekam ihren Führerschein ausgehändigt, so dass jetzt nur noch Jason in der Autofahrerfamilie fehlte.
m November 2005 fing auch ich an, im WinStar-Kasino zu arbeiten. Während Manu ein paar Mal ihr Arbeitsfeld wechselte, war meine Rolle dort vorprogrammiert: Haushandwerker, fest angestellt, part–time, 39 1/2 Stunden die Woche. Ich weiß, 39 1/2 Stunden klingt nicht eben nach einem Teilzeit-Job, aber das war genau der Trick, mit dem die Kasino-Betreiber arbeiteten. Ab vierzig Stunden beginnt in Amerika die offizielle „full-time“- Arbeit. Für alles, was darunterliegt, muss der Arbeitgeber keine Versicherung für seine Angestellten abschließen, braucht keinen Urlaub zu gewähren und auch keine Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen. Kurzum: Der Arbeitgeber kann sich um alles drücken, was unangenehm ist und Geld kostet.
Die Arbeitszeit dort kam mir eigentlich entgegen. Ich konnte morgens von 9 bis 12 auf dem neuen Grundstück am See arbeiten und dann von 14 Uhr bis spätabends im Kasino, bevor ich den Tag mit einem Sprung in den Pool in unserem Garten in Gainesville langsam ausklingen ließ. Es war eine schöne Zeit, die Arbeit im riesigen Glücksspiel-Eldorado gefiel mir anfangs gut, und die Arbeit am See liebte ich schon allein wegen des täglichen Fortschritts, den man sehen und spüren konnte.
Dennoch habe ich bei WinStar nach sechs Monaten wieder aufgehört. Mir war schnell klar, dass dort keine Astro-Physiker arbeiten, die demnächst den Nobelpreis erwarten würden. Kein Problem
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