Konny Reimann
„wildflowers“ nennt.
Was uns später weiter unten zum See hin erwarten sollte, übertraf jedoch all unsere Vorstellungen und Wünsche und regte schnell unsere, und speziell meine, Fantasie an. Denn hinter den Büschen und Bäumen, die das Ende der oberen Hälfte markierten, begann das eigentliche Paradies. Der obere Teil des Grundstücks war alles in allem etwa 120 Meter lang und verlief langsam bergab, bevor das üppige Grünzeug den Eingang einer kleinen steilen Steintreppe markierte. Wir standen am Rand der Treppe und erkannten bereits den See, wie er uns anblinzelte und zu sich rief. Kurz hinter dem Treppenanfang lag links das zweite Haus. Es sah aus, als wäre es besser in Schuss als das obere, aber auch noch keine Traumvilla. Doch schon von dort oben sah man, was dieses Grundstück wirklich zu bieten hatte – ein Versprechen, das sich unter dem oberen Teil versteckte. Die Steintreppe verlief, kleine Haken schlagend, etwas verwinkelt und ziemlich steil den Berg hinunter.
Meine erste Assoziation war Südfrankreich. Mit nur ein paar Schritten waren wir aus dem heißen und trockenen Texas an die Küste irgendwo in Südeuropa transportiert worden. Oben an der Steintreppe flankierte einseitig ein altes schwarzes Stahlgeländer die Stufen, und Steinplatten, die durch die Zeit herrlich ramponiert waren, führten einen weiter in die Tiefe. Rechts und links verteilten sich ein paar Zedern und Eichen, zwei Pinien und diverse Büsche. Steine, Erde und neues Unkraut bedeckten den Rest des Abhangs, der gleichmäßig aufgeteilt die Steintreppe umgab. An einer Stelle musste man zwischen zwei eng stehenden Bäumen durch einen natürlich gewachsenen Eingang hindurch weiter die Treppe hinuntergehen. Von dort konnten wir auch schon das andere Ufer des Sees erkennen. Keine 500 Meter entfernt lag der Anfang des Horizonts. Ein Spiegelbild der herrlichen Natur, in der wir uns in diesem Moment befanden. Blickte man unten am Ufer nach rechts, sah man dank der Y-Form des Sees fast fünf Kilometer weit.
Das zweite Haus war im oberen Bereich neben der Steintreppe errichtet und erstreckte sich ungefähr fünfzehn Meter nach links in den Wildwuchs-Abhang hinein. Als wir beide Häuser gesehen hatten, waren wir erst etwas erschrocken. Das obere war mehr als desolat, das untere immerhin weitestgehend in Ordnung; hier bedurfte es „nur“ einer Renovierung. Wir ahnten damals nicht, dass es weit schlechter um beide Buden bestellt war, als man bei dieser ersten, flüchtigen Diagnose erkennen konnte. Dennoch: Vor Ort bei dieser Besichtigung liefen bereits sehr schnell Bilder in meinem Kopf ab, wie das Ganze später mal aussehen könnte. In Gedanken schlug ich schon die ersten Nägel ein, änderte, renovierte und plante, was hier alles möglich war. Der „französische“ Abhang hatte es mir sofort angetan.
Auf halber Strecke nach unten wurde die kleine Steintreppe von wesentlich breiterem Geröll, eingefasst mit Eisenbahnschwellen, abgelöst, und der Abstieg wurde auch wieder flacher und mündete ans Ufer des Sees. Links unten am Ende dieser großen Abhang-Schneise lag ein kleiner Schuppen direkt am Wasser. Rechts kam man über einen schmalen Steinweg zum Bootssteg. Dieser war ein kurzer Holzweg, der einen wiederum zu einer ca. zehn Quadratmeter großen, ebenso hölzernen Plattform führte, die fünf Meter ins Wasser des Sees hineinragte. Hinter alldem erstreckte sich Moss Lake. Ein See, wie er schöner nicht an einem Grundstück liegen kann. Der Abhang führte vor allem rechts des Abstieges ziemlich steil hinunter zum Wasser. Ich weiß noch, wie ich dachte: „Jo, das is’ ja geil!“ Bei aller Vorstellungskraft, die man aufbringen musste, war mir schnell klar, dass wir hier auf Gold gestoßen waren. Nicht in dem Sinne, dass dies eine unglaubliche Wertanlage war. Nein, dieses Stück Land, so sehr es auch nach neuen Kleidern schrie, hatte das Potential, diverse Träume, Sehnsüchte und Wünsche auf einmal zu erfüllen. Unser Bauchgefühl nickte schon bald heftig, so dass es weitere auf dem Besichtigungsplan stehende Häuser sehr schwer haben würden.
Das Fazit dieses zuerst besichtigten Areals lautete: Der obere, nennen wir ihn mal häuslichere Teil des Grundstücks, wurde huckepack getragen von einem Paradies am See, mit umfangreichen Möglichkeiten des Ausbaus. Alle nachfolgenden Häuser und Grundstücke, die wir uns an dem Tag ansahen, konnten dem tatsächlich nur wenig entgegensetzen. Irgendwas stimmte bei allen
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