Konny Reimann
probieren?“
„Wir“ hieß in dem Fall: Er hatte einen Einfall und Utensilien wie das Boot, und ich hatte die körperliche Beschaffenheit und die nötige Bereitschaft und Lust auf den kompletten Irrsinn, so dass die Kombination eigentlich nur tödlich enden konnte. Einmal kam ich auf die Idee, das Surfbrett anstelle von Wasserskiern zu benutzen. Letztere hatten wir nicht da, wollten aber unbedingt auf den See raus und auf irgendwas im Schlepptau fahren. Zwei große Kinder mit Hummeln im Hintern. Es klappte. Wir machten das Seil an seinem Motorboot fest, ich legte mich mit dem Oberkörper auf das Brett, und Rick fuhr an. Langsam stützte ich mich ab, wechselte mit den Füßen aufs Brett, während meine Hände die Griffe an meinem Ende des Seils festhielten. Man muss dabei natürlich alle Muskelkraft aus seinem Körper herausholen, aber dann geht es. Balance und Kraft, und wenn man einmal steht, ist alles klar. Wichtig ist, dass das Boot richtig schnell fährt, damit man sich besser, stabiler halten kann. Eine Scheu vor hoher Geschwindigkeit sollte man also vorher besser ablegen. Rick und ich haben diese Art des Wasserskifahrens „Powersurfen“ getauft, und wir praktizieren es noch heute.
Dabei waren seine und meine Ideen mitnichten nur auf Wasserski begrenzt. „Alles, was Spaß macht“ heißt unsere Maxime, und dieser gemeinsame Kontinent in unseren Köpfen hat sehr weit gefasste Grenzen. Für mich ist das wie ein wöchentlicher Lotto-Gewinn, eine Auffrischung der alten Zeiten in Dänemark und Südfrankreich. Die total verrückten Tage mit meinen alten Kumpels flammen wieder auf, und nichts scheint sich geändert zu haben. Ich am allerwenigsten.
Leider ist die Zeit mit Rick, zumindest die mit unseren kleinen selbstgebastelten Abenteuern, zumeist auf den Sommer begrenzt. Den größten Teil des Jahres arbeitet der Mann wie ein Tier, um sich den Sommer freizunehmen. Den Lohn seiner Arbeit genießt er in den zentralen Monaten des Jahres. Während Tom sich also zunächst immer öfter in sein Haus zurückzog, nie wieder groß in Erscheinung trat und schließlich aus meinem Leben ebenso schnell verschwand, wie er gekommen war, wurde Rick einer meiner besten Kumpels. Bis zum heutigen Tag ist er weit mehr als der Nachbar, der etwas die Straße runter wohnt.
as erste Mal, als uns Polizisten in Amerika angehalten haben, standen wir bereits außerhalb des Autos. Genauer gesagt, wir standen mit ein paar Bekannten oder Gästen vor Dieter Bros. und versuchten, ein Erinnerungsfoto für unsere Freunde zu schießen, als plötzlich eine Streife auf den Parkplatz fuhr und neben uns anhielt. Wir waren zunächst etwas unsicher, was wir falsch gemacht haben könnten oder ob etwas an unserem Auto nicht in Ordnung sei. Der Polizist schritt ehrwürdig auf uns zu, stellte sich neben uns und fragte: „Kann ich Ihnen bei dem Foto behilflich sein, wollen Sie alle mit drauf?“
Wir mussten uns ansehen und grinsen. Der Mann hatte doch tatsächlich von der gute zwanzig bis dreißig Meter entfernt liegenden Straße gesehen, dass wir es nicht schafften, allesamt auf ein Foto zu kommen, und fuhr dafür extra zurück zum Parkplatz, auf dem wir standen. Überhaupt sind die Polizisten hier meist sehr freundlich. Für sie ist ihr Beruf ein Job und kein Status. Ihre Aufgabe ist es, die Augen offen zu halten, die Leute zu beschützen und, na ja, offensichtlich auch, ihnen beim Fotografieren zu helfen.
Zwar ähnlich ungefährlich, aber für Manu weitaus schlimmer als das Aufeinandertreffen mit dem Polizisten wurde es am 8. April 2007. Ich war bei der Arbeit, als Manu im Haus in Gainesville ein paar Dinge aufräumte. Sie ordnete und sortierte, packte Sachen von hier nach da und stieß irgendwann auf einen Papierberg. Als sie die obere Hälfte des Stapels hochhob, blieb ihr Herz für gefühlte zehn Minuten stehen. Trotz aller angestauten Luft schaffte sie es noch, einen Schrei auszustoßen. In Filmen wird eine solche Szene immer so dokumentiert, dass man zunächst eine Außenansicht des Hauses zeigt, dann die Stadt, das Land, schließlich den Planeten, die ganze Zeit untermalt von dem gellenden Schrei. Janina und Jason waren beide zu Hause und bekamen ungefiltert die Auswirkungen dessen mit, was Manu unter dem Papier entdeckt hatte: eine Vogelspinne!
Nun ist es nicht etwa so, dass der Anblick einer solchen Spinne allein schon tödlich endet. Vogelspinnen sind in den seltensten Fällen für den Menschen wirklich gefährlich,
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